Stresstest für die Olympischen Spiele
Rugby-Weltmeisterschaft
Stresstest für die Olympischen Spiele
Frankreich muss während der Rugby-WM zeigen, dass es für 2024 vorbereitet ist. Die Sportveranstaltung könne ihm 2,4 Mrd. Euro bringen.
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Rot, Blau oder Grün: Die Fans sind nicht zu übersehen. Erst dominierten grüne Sport-Trikots das Straßenbild in Bordeaux, am nächsten Tag rote. Tausende Iren und Waliser sind letztes Wochenende in die Stadt im Südwesten Frankreichs gereist, um dort die Spiele ihrer Rugby-Nationalmannschaften gegen Rumänien und die Fidji-Inseln zu verfolgen. Bordeaux ist einer der neun Austragungsorte der Rugby-Weltmeisterschaft, die noch bis zum 28. Oktober in Frankreich stattfindet.
Für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist die Rugby-WM eine Art Stresstest für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr. Immerhin werden für die 48 Spiele der 20 teilnehmenden Länder 2,5 Millionen Zuschauer erwartet, davon 600.000 aus dem Ausland. Frankreich muss jetzt beweisen, dass es für das Großereignis gewappnet ist, dass seine Tourismus-, Transport- und Sicherheitsindustrie gut genug vorbereitet sind.
Populärer Sport
Die Rugby-WM sei eine Probe für die Olympischen Spiele in kleinerem Rahmen, sagt der stellvertretende Generaldelegierte für Sicherheit der Vereinigung der französischen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie Gicat, Gérard Lacroix. "Die Olympischen Spiele haben eine ganz andere Dimension." 11.000 Sportler, 206 Delegationen und zwei Milliarden Fernsehzuschauer werden dafür erwartet, dazu 15 bis 16 Millionen Touristen allein in Paris.
Im Gegensatz zu einigen Austragungsorten der Olympischen Spiele hätten die Städte, in denen jetzt die Spiele der Rugby-WM stattfinden, Erfahrungen mit Sportgroßveranstaltungen, vor allem Rugby und seinen Fans, meint Lacroix. Bei uns kaum bekannt, ist Rugby in Frankreich äußerst populär, vor allem im Süden und Südwesten.
"Rugby ist in Frankreich die Sportart, die im Fernsehen nach Fußball am meisten gesehen wird", erklärt Omnicrom-Media-Group-Generaldirektor Bertrand Nadeau. Dank eines guten Images ist Rugby auch bei vielen Firmenchefs und Politikern beliebt. Lange Zeit galt es sogar eher als elitär, als Sport der Absolventen renommierter Hochschulen.
"Fußball ist eine von Raufbolden gespielte Sportart für Gentlemen, Rugby eine von Gentlemen gespielte Sportart für Raufbolde", lautet eine in Frankreich oft zitierte britische Redensart. Die Rugby-Fans seien relativ gebildet, sagt auch Sicherheitsexperte Lacroix. Die Stimmung bei Spielen sei familiär und höflich.
Erhöhte Sicherheit
Dennoch stellt die Rugby-WM die Sicherheitsbranche vor große Herausforderungen. Der französische Staat hat deshalb in dem Département Seine-Saint-Denis nördlich von Paris die Zahl der Video-Überwachungskamera für 1 Mill. Euro aufgestockt. Denn dort liegt das Stade de France, in dem unter anderem das Halbfinale und das Finale stattfinden.
Für alle neun Austragungsorte wurden spezifische Vorkehrungen getroffen, die an das Sicherheitsprofil des jeweiligen Spiels angepasst werden sollen. So sind etwa letztes Wochenende vier irische Polizisten nach Bordeaux gereist, um ihre französischen Kollegen zu unterstützen. Im Schnitt werden für die WM nach Angaben des Innenministerium 5.100 Sicherheitskräfte der Polizei und der Gendarmerie mobilisiert, für wichtige Spiele bis zu 7.500.
Dazu kommen 5.000 bis 6.000 private Sicherheitskräfte, weniger als ein Viertel dessen, was für die Olympischen Spiele benötigt wird. "Wir konnten problemlos Verträge mit privaten Sicherheitsfirmen abschließen, um die erforderlichen Sicherheitskräfte zu bekommen", berichtet Julien Colette, der Generaldirektor der Veranstalterorganisation France 2023.
Sorge vor Streiks
Auch der Grenzschutz an den Flughäfen für die WM aufgestockt. ADP (Aéroports de Paris), der Betreiber der Flughäfen Charles de Gaulle-Roissy und Orly in Paris, hat 270 zusätzliche Grenzpolizisten zugeteilt bekommen. Das soll helfen, die Warteschlangen an den Passkontrollen zu verringern.
Denn Fluggesellschaften wie Ryanair und Air Lingus bieten während der Rugby-WM zusätzliche Flüge zu den Austragungsorten an. Innerhalb von Frankreich setzen die Organisatoren auf die Bahn SNCF. Sie soll nicht nur die Fans, sondern auch die Mannschaften, Begleitpersonal und Material von einem Austragungsort zum anderen transportieren.
Nachdem der Auftakt der Rugby-WM zunächst von drohenden Streiks im Nah- und Flugverkehr überschattet wurde, hat sich die größte Fluglotsengewerkschaft SNCTA inzwischen mit der Flugaufsichtsbehörde geeinigt. Sie hatte eine Anpassung der Gehälter an die Inflation gefordert.
Die SNCTA hat nun versprochen, bis September nächsten Jahres, bis zum Ende der Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris, nicht zu Streiks aufrufen. In den ersten Monaten dieses Jahres hatten Fluglotsen immer wieder gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron gestreikt, so dass Flüge verspätet waren oder gestrichen werden mussten.
Hohe Preise
Die WM hat jedoch ihre Spuren in den Preisen für Züge und Flüge hinterlassen. Sie sind deutlich gestiegen, genau wie die für Unterkünfte. Laut einer Studie des Vergleichsportals Kayak sind Hotels in Frankreich während der WM im Schnitt um 14% teurer als 2022, in Paris nur 9%. Allerdings sind dort kaum noch Zimmer unter 200 Euro pro Nacht zu finden.
In den übrigen Austragungsorten haben die Hotelpreise für die Tage, an denen dort Spiele stattfinden, zum Teil sehr viel stärker zugelegt – in Lille um 110% und in Marseille, wo am 22. und 23. September auch der Papst erwartet wird, sogar um 137%. In Bordeaux wurde ein Zimmer in einem Apartmenthotel in der Nähe des Bahnhofs letzten Samstag für 250 Euro angeboten, während es sonst meist für weniger als 100 Euro pro Nacht kostet.
Bei Airbnb und anderen Plattformen sieht die Tendenz ähnlich aus. In einigen der Austragungsorten haben sich die Preise der dort angebotenen Unterkünfte bei bestimmten WM-Spielen laut einer Studie der Portale Liwango und Likibu verdrei- oder vervierfacht.
Nicht nur Airbnb-Vermieter hoffen, an den Rugby-Anhängern verdienen zu können. Denn sie geben in der Regel mehr Geld aus als Fußball-Fans, da sie häufig gehobeneren Einkommensschichten angehören. Viele der teilnehmenden Nationen verfügen zudem über ein relativ hohes Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf.
Großzügige Fans
Gerade Fans, die von weit her aus Australien, Neuseeland, Japan oder Südafrika anreisen, nutzen die WM für einen längeren Aufenthalt in Frankreich. Im Schnitt würden diese Touristen zwei Wochen lang bleiben, sich zwei bis drei Spiele anschauen und pro Tag etwa 300 Euro ausgeben, sagt Jacques Rivoal vom Organisationskomitee France 2023. Dagegen haben die Besucher der Fußball-Europameisterschaft 2016 im Schnitt nur 125 Euro pro Tag in Frankreich ausgegeben
Business France, die Vermarktungsagentur der französischen Wirtschaft, hofft, während der Rugby-WM auch neue Investitionen aus dem Ausland anlocken zu können. Sie veranstaltet dafür in den Austragungsorten spezielle "Rugby-Clubs", um Industrievertreter aus dem Ausland und lokale Wirtschaftslenker zusammenzubringen. Für das Spiel England gegen Chile etwa wurden 60 britische Unternehmen nach Lille eingeladen.