LEITARTIKEL

Sturm im Salzfass

Guter Samen braucht guten Boden. Wladislaw Baumgertner, der Chef des weltgrößten Kaliumchloridproduzenten, setzt mit seiner Ankündigung, den Markt für den begehrten Pflanzennährstoff umzukrempeln, auf die Abhängigkeit der Landwirte von seinem...

Sturm im Salzfass

Guter Samen braucht guten Boden. Wladislaw Baumgertner, der Chef des weltgrößten Kaliumchloridproduzenten, setzt mit seiner Ankündigung, den Markt für den begehrten Pflanzennährstoff umzukrempeln, auf die Abhängigkeit der Landwirte von seinem Produkt. Mit der Ankündigung, das kuschelige Oligopol der großen Hersteller zu verlassen und die Förderung kräftig anzukurbeln, hat sich der CEO von Uralkali in der Branche keine Freunde gemacht. Erstmals seit 2010, als BHP Billiton, die Nummer 1 unter den Bergwerksbetreibern, versuchte, die kanadische Potash Corp. of Saskatchewan zu übernehmen, kommt wieder ordentlich Bewegung in den Sektor – ein Sturm im Salzfass. Dass Baumgertner glaubt, der Preis des “weißen Goldes” könnte um mehr als ein Viertel einbrechen, wenn er den Markt flutet, lässt auch bei K+S in Kassel die Alarmglocken schrillen. Die Aktie der Dax-Gesellschaft stürzte um rund ein Drittel ab.Bislang war die Kalibranche ein exklusiver Club, der ab und an mit der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) verglichen wurde. Weitgehend geräuschlos handelten Canpotex und BPC – die beiden großen Vermarktungsorganisationen, in denen zum einen die kanadischen Hersteller und zum anderen die Produzenten der ehemaligen Sowjetunion ihre Interessen gebündelt hatten – die Lieferpreise mit den wichtigsten Abnehmerländern China und Indien aus. Daran orientierte sich der Weltmarkt. Preis ging stets vor Masse. Die ehemalige BASF-Tochter K+S profitierte davon, ohne sich in die Niederungen der Preisabsprachen begeben zu müssen.Am Beispiel Opec lässt sich immer wieder beobachten, dass Oligopolvereinbarungen nur so lange Bestand haben, bis sich einer der Beteiligten von einem Ausscheren Vorteile verspricht. Um das zu verstehen, muss man nicht den französischen Mathematiker Antoine-Augustin Cournot (1801 – 1877) bemühen, der die volkswirtschaftliche Diskussion mit seiner Duopol-Theorie ganz wesentlich geprägt hat. Und dass das von Wirtschaftstheoretikern unterstellte Maximierungskalkül der Anbieter nicht immer die Hauptrolle spielt, hat das Embargo der arabischen Opec-Mitglieder gegen die USA 1973 ebenfalls deutlich gemacht. Sie wollten damals nach der Niederlage Ägyptens und Syriens im Jom-Kippur-Krieg gegen die israelfreundliche Haltung des Westens protestieren.Kaliumchlorid kann im Gegensatz zu Erdöl nicht ersetzt werden. Wird die Kalidüngung zu lange ausgesetzt, schlägt sich das in der Qualität der Feldfrüchte nieder. Kartoffeln bekommen schwarze Flecken. Andere Energieträger gibt es dagegen zuhauf. Uralkali schert aus ganz profanen Gründen aus dem Kartell aus. Baumgertner hat sich in den vergangenen Monaten mehr als einmal über den staatseigenen Partner Belaruskali geärgert. Die klammen Weißrussen verkauften an BPC vorbei, um sich Devisen zu sichern. Dafür will sie Uralkali nun abstrafen. Das Unternehmen ist für scharfe Kehrtwenden seiner Vertriebspolitik bekannt und hat die niedrigsten Produktionskosten in der Branche.Sollten die Russen wirklich für eine begrenzte Zeit Dünger zu Kampfpreisen ins Reich der Mitte liefern, wird das den Weltmarktpreis nicht gleich ins Bodenlose fallen lassen. Hohe Preise sind letztlich im Interesse aller Anbieter. Vieles spricht dafür, dass sich Baumgertner nach anderen Bundesgenossen umsehen wird. Mit Canpotex arbeitete Uralkali schon einmal zusammen.Die unübersichtliche Situation am seit einiger Zeit von einem Überangebot geprägten Markt für Kaliumchlorid hält jedoch Neueinsteiger wie BHP Billiton, die im kanadischen Saskatchewan gleich neben K+S ein neues Werk plant, oder die brasilianische Vale fürs Erste von der Erschließung neuer Vorhaben ab. Die Wiederbelebung der Gruben Roßleben und Siegfried-Giesen durch K+S rückt dadurch in weite Ferne. Mittelfristig dürfte der Verzicht auf Erweiterungsvorhaben und neue Anlagen den Preis stabilisieren. Der zeigt sich derzeit nicht so volatil wie die Aktienkurse der Produzenten. Kontraktpreise werden eben nicht täglich ausgehandelt, und es gibt – anders als bei Rohöl – keine Finanzprodukte, mit denen sich auf die weitere Entwicklung spekulieren ließe.K+S-Chef Norbert Steiner wird das Thema Produktionskosten bei der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen heute zu vermeiden suchen. Das Unternehmen hat mit die höchsten – wie auch die europäischen Standorte von Israel Chemicals. Die Nordhessen befinden sich in der Zwickmühle: Weil sie an der Kapazitätsgrenze produzieren, können sie keine zusätzlichen Mengen auf den Markt werfen. Das neue Werk in Kanada sollte für Entlastung sorgen. Jetzt wird es schwerer zu finanzieren sein.——–Von Andreas HippinWer die niedrigsten Kosten hat, kann Masse vor Preis setzen. Der Markt für Kaliumdünger befindet sich im Umbruch. K+S steckt in der Zwickmühle.——-