LEITARTIKEL

Tanz ums Goldene Kalb

Dass die Summe der Einzelteile mehr wert sein kann als ein Unternehmen als Ganzes, ist am Kapitalmarkt keine neue Erkenntnis. Sie erklärt seit jeher den gern zitierten Konglomeratsabschlag, der Konzerne mit einem Portfolio unterschiedlicher...

Tanz ums Goldene Kalb

Dass die Summe der Einzelteile mehr wert sein kann als ein Unternehmen als Ganzes, ist am Kapitalmarkt keine neue Erkenntnis. Sie erklärt seit jeher den gern zitierten Konglomeratsabschlag, der Konzerne mit einem Portfolio unterschiedlicher Geschäfte trifft, die unter einem Dach kaum Synergien aufweisen. Triebfeder “wertsteigender Optionen” sind in diesen Fällen oft aktivistische Investoren, die diese Wertzuwächse in zwei Schritten vereinnahmen – zunächst etwa in Gestalt einer Sonderdividende nach einem Spartenverkauf und dann noch durch Realisierung von Kursgewinnen, die idealerweise durch strengere Fokussierung des Unternehmens auf ein Kerngeschäft eintreten sollten.In jüngster Zeit erfreuen sich nicht mehr nur die altbekannten Gemischtwarenläden an der Börse der Aufmerksamkeit von Hedgefonds, sondern IT- und Internet-Unternehmen mit wachstums- und ertragsstarken Geschäftsmodellen. Mit SAP, Ebay und Scout24 hat sich beispielsweise der US-Aktionärsaktivist Elliott gleich bei drei dieser Unternehmen breitgemacht. Insbesondere die strategischen Empfehlungen für die Internet-Marktplätze lassen aufhorchen. Denn in dieser Plattform-Industrie ermöglicht nach Einschätzung von Experten gerade die Skalierung von Kernfunktionen gepaart mit einer Verbreiterung und Vertiefung der angebotenen Produkte und Services einen wachsenden geschäftlichen Erfolg. Stattdessen verweisen die Aktivisten auch hier auf das bewährte Prinzip der Aufteilung und Abspaltung.Bei Ebay betreibt Elliott die Trennung von der Kleinanzeigendivision und hat außerdem erfolgreich den Verkauf der Ticketsparte Stubhub für 4 Mrd. Dollar durchgesetzt. Die Börse hat den M&A-Trubel seit Jahresbeginn mit einem Kursplus von 22 % honoriert; der geschäftsstrategische Gewinn für Ebay aus dem Verkauf von Stubhub ist indes fraglich. Immerhin gewinnt der Käufer Viagogo ein Asset, das sich gut ins eigene Portfolio fügt. Für die Kleinanzeigensparte von Ebay – als Ganzes oder auch in Teilen – werden weiterhin Käufer gesucht. Angesichts der gestiegenen Bewertung wird die Suche zumindest nicht leichter. Dasselbe gilt für Scout24, die aufgefordert ist, “Optionen” für die Sparte Autoscout zu prüfen und sich damit allein auf das Immobilienportal zu konzentrieren. Die Bewertung der Scout-Gruppe als Ganzes liegt aktuell beim 20-fachen operativen Ergebnis. Der Wert erscheint insbesondere deshalb recht sportlich, weil der Konzern schon einmal von Private Equity gründlich durch die Effizienzmühle gedreht wurde. Jeder neue Investor könnte daher mit Sparmaßnahmen wohl nicht mehr viel richten, sondern müsste tatsächlich eine Weiterentwicklung des Geschäftskonzepts anstoßen, um eine erneute Wertsteigerung für einen lukrativen Ausstieg zu generieren. Ob indes in der Fokussierung auf den Automarkt so viel Wachstumspotenzial liegt, dass die Synergien in der Verwaltung einer größeren Gruppe wie Scout insgesamt ertragsseitig sogar überkompensiert werden, muss sich zeigen.Der Hype um die Internet-Marktplätze erinnert inzwischen schon fast an den Tanz ums Goldene Kalb, bei dessen (Aus-)Schlachtung sich mancher sogar mehrfach zu sättigen hofft – wie der zweite Übernahmeanlauf von Hellmann & Friedman bei Scout24 zuletzt gezeigt hat. Dass dieser gescheitert ist, tut dem Interesse von Buy-out-Fonds keinen Abbruch. Schwergewichte wie Permira, Carlyle oder Apax gelten als mögliche Käufer der Autosparte. Internet- und Software-Branche sind für Private Equity in den letzten Jahren vielfach zum begehrten Investmentschwerpunkt geworden. Gerade die Portale haben dabei eine für die Fonds oft ideale geschäftliche Größe erreicht, bei der Umsatz und Ertrag für ein gewünschtes Leverage-Volumen ausreichen und überdies noch genügend Spielraum für Skalierung besteht. Im Vergleich zu einem anderen Hype-Sektor, dem Infrastrukturbereich, locken bei Internet und Software noch jene Renditen jenseits der 30 %, die für Finanzinvestoren Benchmark sind.Allerdings wird genau deshalb die Luft auch immer dünner. Die Suche nach geeigneten Investitionsobjekten ist für die im Geld erstickenden Fonds zunehmend schwierig und die Konzentration auf eine Branche führt zu immer heißeren Bietgefechten beim Einstieg. Dies gilt umso mehr, als immer auch Strategen unter der Interessentenschar sind. Die Bewertungen der Internet-Marktplätze erreichen so luftige Höhen, ohne dass sich an den Gewinnerwartungen etwas grundlegend geändert hat. Das sieht verdächtig nach Blase aus.——Von Heidi RohdeWachstum und Ertragsstärke von Internet-Marktplätzen locken Investoren wie das Licht die Motten. Das führt auch zu wundersamer Wertvermehrung.——