Telekom in den USA auf dünnem Eis
Deutsche Telekom
Auf dünnem Eis
Von Heidi Rohde
Ihre US-Tochter kann für die Telekom schnell vom Zugpferd zum Klumpenrisiko werden, wenn ein Newcomer den US-Mobilfunkmarkt aufmischt.
Das Gerücht, dass Amazon erwägt, ihren Prime-Kunden in den USA ein – besonders günstiges – Mobilfunkangebot zu machen, hat die Abhängigkeit der Deutschen Telekom von ihrer US-Tochter auf die denkbar eindrucksvollste Weise sichtbar gemacht. Nicht nur die Aktienkurse aller drei großen US-Mobilfunknetzbetreiber erzitterten, sondern auch die T-Aktie trat umgehend einen Sturzflug an, der den Kurs praktisch auf das Niveau vom Jahresbeginn zurückwarf. Die Nervosität der Anleger ist verständlich, denn unabhängig davon, dass Amazon das Gerücht nicht bestätigen wollte, zeigt sich hier der wunde Punkt des derzeit hochlukrativen US-Mobilfunkmarktes: ein stark konsolidierter Markt mit einer komfortablen Wettbewerbssituation für die Beteiligten und entsprechender Ertragsstärke lädt immer zum Angriff ein. Insofern dürfte es eine Frage der Zeit sein, wann der Satellitenbetreiber Dish einen geeigneten Partner findet, um seine umfangreichen Ressourcen an Mobilfunkspektrum gewinnbringend einzusetzen. Auch Amazon mag noch zu anderen Schlüssen kommen; ein spezieller Handytarif für Prime-Kunden gewinnt an Attraktivität, wenn immer mehr unter ihnen Prime-Angebote über mobile Endgeräte nutzen.
Darüber hinaus steigt durch die erfolgreiche Un-Carrier-Strategie von T-Mobile US der Druck auf Verizon und AT&T, ihr Geschäftsmodell mit einem Befreiungsschlag zu hebeln, um neue Wachstumsfantasie zu zünden. So könnte etwa die in Europa verbreitete Konvergenzstrategie von Festnetz/Internet, TV und Mobilfunk in den USA einen Neuanlauf erfahren – auch wenn AT&T aus der Übernahme von Time Warner keine Erfolgsgeschichte machen konnte und diese vor zwei Jahren wieder abstieß. Dennoch erlaubt die Größe und Kapitalkraft sowohl von Verizon als auch von AT&T beiden Unternehmen Gewaltakte auf dem M&A-Parkett, die T-Mobile US zwingen könnten, ihr eigenes Geschäftsmodell anzupassen und gegebenenfalls ebenso durch die Akquisition eines großen Kabelnetzbetreibers oder Contentanbieters zu stärken. Dies liefe auf eine milliardenschwere Transaktion hinaus, und da auch T-Mobile US bei der Verschuldung an Grenzen stößt – zumal nach der Zinswende, dürfte eine solche mit einer entsprechenden Kapitalerhöhung verbunden sein.
In diesem Fall, der deutlich weniger unwahrscheinlich ist, als dass dem US-Mobilfunkmarkt Wachstum und Innovationsideen ausgehen, droht der Telekom ein Fiasko. Denn die Mehrheit, die der Bonner Konzern an T-Mobile US hält, ist hauchdünn. Und allein der Sprung über die 50-Prozent-Schwelle war ein Kraftakt, für den die Telekom reichlich Tafelsilber mobilisieren musste – unter anderem die Mehrheit an der wertvollen Funkturmtochter. Eine größere Kapitalerhöhung von T-Mobile US mitzutragen würde den Bonner Konzern finanziell überfordern. Angesichts hoher Investitionen in das deutsche Glasfasernetz und einer bereits ausufernden Fremdverschuldung kann das Unternehmen dafür keine ausreichenden Mittel mobilisieren. Ganz davon zu schweigen, dass die Dividende bedroht wäre. Auch die Möglichkeiten, selbst das Kapital zu erhöhen, sind begrenzt, weil eine Verwässerung des Staates als Ankeraktionär aus verschiedenen Gründen nicht erwünscht ist, auch nicht von der Telekom selbst. Eine Kapitalerhöhung mitzutragen, um Geld in den USA anzulegen, erscheint für den Bund ebenfalls schwer denkbar.
Die Telekom hat ihr Beteiligungsportfolio unter der Regie von Konzernchef Tim Höttges in den vergangenen Jahren konsequent gestrafft und die freigesetzten Mittel in den USA realloziert, damit allerdings ein nicht zu unterschätzendes Klumpenrisiko geschaffen. Die US-Tochter steht nicht nur für rund zwei Drittel vom operativen Ergebnis der Telekom und das Gros des Free Cashflow. Die Beteiligung, die aktuell 76 Mrd. Euro wert ist, repräsentiert auch 80% der Marktkapitalisierung der Telekom. Deutschland und der ganze Rest ist gerade mal 20 Mrd. Euro wert, dort wird aber viel Geld für den Glasfaserausbau benötigt. Ob dieses aus den USA nach Deutschland fließt, wird auch davon abhängen, ob T-Mobile US ihren Cash in Aktienrückkäufe oder Dividenden steckt oder eben für andere Zwecke verwendet. Dass die Interessen der T-Aktionäre dabei eine große Rolle spielen, ist angesichts der dünnen Mehrheit zweifelhaft.