LeitartikelM&A

Telekomfirmen im Rückzugsgefecht

Konzerne wie Telekom oder Vodafone ziehen sich aus unrentablen Märkten zurück. Allerdings ist die gewinnbringende Reallokation der Mittel ein Kunststück.

Telekomfirmen im Rückzugsgefecht

Telekombranche

Heikle Rückzugsmanöver

Von Heidi Rohde

Konzerne wie Telekom oder Vodafone ziehen sich aus unrentablen Märkten zurück. Allerdings ist die gewinnbringende Reallokation der Mittel ein Kunststück.

Europas Telekomkonzerne stehen seit Jahren an der Klagemauer. Ein Giftcocktail aus übersetzten Märkten im Mobilfunk, fehlender Preissetzungsmacht und infolgedessen ungenügenden Gewinnmargen zur Finanzierung teurer Netzinvestitionen verursacht ihnen ein wachsendes Unwohlsein. Abhilfe durch Konsolidierung wird von den Wettbewerbshütern mit Argwohn betrachtet und daher häufig mit Auflagen versehen, die die erhofften Synergien mitunter empfindlich mindern. So war der vor Jahren hart errungene Zusammenschluss von Telefónica Deutschland und E-Plus mit Bedingungen verknüpft, die dem Wettbewerber 1&1 so weit aufs Pferd geholfen haben, dass das Unternehmen nun selbst eine 5G-Lizenz erworben hat und sich somit wieder ein vierter Netzbetreiber anschickt, in den Markt einzutreten. Auch der jüngste Konsolidierungsschritt zwischen Másmóvil und Orange in Spanien wurde mit teilweise schmerzhaften Auflagen gebilligt.

Für die Telekomgesellschaften verlieren daher die Merger innerhalb von einzelnen Märkten zunehmend an Attraktivität. Während Marktführer in der Regel aus kartellrechtlichen Gründen keine Chance haben, einen kleineren Wettbewerber zu schlucken, zahlt sich ein Zusammenschluss der kleineren Konkurrenten untereinander oft nicht dauerhaft hinreichend aus. Dies gilt insbesondere für Länder wie die Niederlande oder Österreich. Infolgedessen hat etwa die Deutsche Telekom derlei Zusammenschlüsse zuletzt als Zwischenlösung genutzt. Das mit Orange in Großbritannien gebildete Joint Venture EE wurde nach einiger Zeit an BT Group verkauft, T-Mobile Niederlande ging an Apax und Warburg Pincus, nachdem zuvor der Wettbewerber Tele2 geschluckt wurde.

Die Strategie hat den Charme, dass am Ende ein Asset im Schaufenster steht, dass wettbewerblich bereits stärker aufgestellt ist als die beiden Einzelunternehmen zuvor, was der Telekom in beiden Fällen einen attraktiven Verkaufspreis gesichert hat. Dabei hatte sie auch noch ein glücklicheres Timing als der Rivale Vodafone, der sich aktuell mit ähnlichen Portfolioherausforderungen herumschlägt. Denn die gestiegenen Zinsen drücken bei M&A naturgemäß auf den Preis.

Gleichwohl hat sich der britische Mobilfunkriese, der im Heimatmarkt und vor allem in Spanien und Italien seit langem zu kämpfen hat, bisher nur in Großbritannien für die Bildung eines Joint Ventures mit Three UK entschieden. In Spanien wurde die Tochter für rund 5 Mrd. Euro an den Finanzinvestor Zegona abgestoßen, in Italien ist offenbar ein Verkauf an die Swisscom-Tochter Fastweb nahezu unterschriftsreif. In beiden Fällen setzt Vodafone, die unter massivem Druck der Investoren steht – der Aktienkurs ist binnen Jahresfrist um mehr als 30% abgesackt – auf Transaktionssicherheit. Der Verkauf an Zegona war kartellrechtlich unbedenklich. Auch ein Zusammenschluss zwischen Vodafone Italia (Mobilfunk) und Fastweb (Festnetz) dürfte keinen Anstoß erregen; derlei komplementäre Fusionen wurden von den Behörden bisher stets durchgewunken.

Vodafone gelingt damit auch in Italien ein unmittelbarer Ausstieg gegen Barzahlung. Der Vorteil gegenüber einer Joint-Venture-Struktur mit Aktientausch, wie sie Vodafone in Großbritannien plant und wie sie offenbar auch in den Verhandlungen mit Iliad in Italien in Rede stand, liegt für die Investoren auf der Hand. Das Geld ist unmittelbar verfügbar, die Risiken einer Aktienkomponente sind dagegen beträchtlich. Für die Telekom, die einst beim Verkauf ihres EE-Anteils an BT die Bezahlung in Aktien in Gestalt eines 12-Prozent-Pakets an BT akzeptiert hatte, erwies sich diese Transaktion nämlich als Reinfall, weil die BT-Aktie seither massiv an Wert eingebüßt hat. Dennoch steckt auch Vodafone in einem Dilemma. Denn die Herausforderung besteht darin, die Mittel innerhalb der Gruppe gewinnbringend anzulegen. Herrscht an Ideen Mangel, bleibt nur die Sonderausschüttung. Dabei lehrt die Erfahrung, dass dies im Aktienkurs nur ein Strohfeuer entzündet. Die Anleger nehmen das Geld und ziehen weiter – denn für künftige Dividenden verdüstern sich die Aussichten, wenn im Konzern gleich zwei Landesgesellschaften fehlen.