LEITARTIKEL

Tesla war gestern

Wenn die Internationale Automobilausstellung in der kommenden Woche ihre Pforten öffnet, wird die Elektromobilität eine zentrale Rolle einnehmen. Die Branchenverbände VDA und Acea haben sich in dieser Woche noch einmal öffentlichkeitswirksam für...

Tesla war gestern

Wenn die Internationale Automobilausstellung in der kommenden Woche ihre Pforten öffnet, wird die Elektromobilität eine zentrale Rolle einnehmen. Die Branchenverbände VDA und Acea haben sich in dieser Woche noch einmal öffentlichkeitswirksam für einen schnellen Ausbau der Lade-Infrastruktur ausgesprochen. Porsche hat derweil in einer parallel auf drei Kontinenten ausgerichteten Veranstaltung den batterieelektrischen Supersportwagen Taycan vorgestellt, für den bereits Interessensbekundungen samt Anzahlung für die ersten eineinhalb Produktionsjahre vorliegen. Ist der Porsche etwas für die betuchte Kundschaft, stellt die Schwestermarke VW mit dem ID3 auf der IAA ein Volks-E-Auto vor. Zwischen den beiden Fahrzeugen sortiert sich Audis E-Tron ein, der seit dem Frühjahr ausgeliefert wird.Der VW-Konzern greift Tesla also von allen Seiten an. In der Luxusklasse mit Porsche, im Premiumsegment mit Audi und im Volumenmarkt mit VW. Die anderen großen Autobauer sind auch auf dem Elektrotrip, was sich zunehmend im Markt niederschlägt. Alternative Antriebe, die in Deutschland über Jahre unter 2 % lagen, standen im ersten Halbjahr bereits für 7,7 % der Neuzulassungen. In den beiden ersten Monaten des zweiten Halbjahres lagen sie jeweils über 8 %, so dass es nur noch eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis Hybride und batterieelektrische Autos ein Zehntel vom Absatz hierzulande ausmachen. Kein Wunder, dass die Branche beim Ausbau der Infrastruktur aufs Gaspedal tritt. Die frisch gewonnen Kunden dürften nur zufrieden sein, wenn sie ihren Stromer problemlos laden können.Allerdings dürfte die IAA, die als internationale Plattform für nachhaltige individuelle Mobilität der Zukunft fungieren will, ohnehin zeigen, dass Tesla längst nicht mehr die größte Herausforderung für die Branche ist. In der Elektromobilität haben die deutschen Konzerne mächtig auf die Tube gedrückt und wollen bis 2023 einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag in ihre E-Auto-Pläne investieren. Da kann der kleine kalifornische Pionier ebenso wenig mithalten wie in der Ersatzteillogistik, in der die Autobauer Jahrzehnte an Erfahrung mitbringen, oder mit dem engmaschigen Händler-/Werkstättennetz, das Kunden bei Unfall oder Defekt schnell Abhilfe verspricht. Software-Updates ohne Werkstattbesuch sind klasse, ersetzen aber keine verbeulte Stoßstange, wie mancher Tesla-Fahrer in den vergangenen Monaten bitter feststellen musste.Die eigentliche Herausforderer in den nächsten Jahren dürfte daher nicht der Elektroautopionier sein. In Bau und Wartung von Autos haben die hiesigen Hersteller einen Kompetenzvorsprung, der ihnen von der Mannschaft um CEO Elon Musk so schnell nicht streitig gemacht werden kann. Ein Kompetenzdefizit haben die Unternehmen hingegen in Vernetzung, Digitalisierung, Cloud-Diensten, Benutzeroberflächendesign sowie Drittgeräteintegration – und zwar verglichen mit finanzkräftigen Technologiekonzernen, die zunehmend in die Branche drängen. Google, IBM, Microsoft und SAP lassen sich auf der IAA 2019 blicken und gewähren einen kleinen Einblick in ihre Vorstellung zur Zukunft der Mobilität, während Hersteller wie Toyota, Fiat und Jeep mit Abwesenheit glänzen.——Von Sebastian SchmidDie IAA hat mehr denn je das E-Auto im Fokus. Die breite Aufstellung als Plattform für Mobilität zeigt indes auch andere Herausforderungen auf.——