Teure Folgenfür Traton
Es ist richtig, wenn Unternehmen infolge der Sanktionen des Westens gegen Russland aufgrund des Angriffskriegs die Reißleine ziehen. Die Folgen dieses Rückzugs aus dem russischen Markt sind für manche Unternehmen in bilanzieller Hinsicht zwar teuer und schmerzhaft, aber verkraftbar. Davon kann die deutsche Nutzfahrzeugindustrie ein Lied singen.
Allerdings sind die finanziellen Belastungen für die börsennotierte Volkswagen-Nutzfahrzeugholding Traton mit ihren Konzerntöchtern MAN und Scania nach jüngstem Stand um ein Mehrfaches höher als für den globalen Marktführer Daimler Truck. So sorgte das Münchner SDax-Mitglied im Markt für Aufsehen mit der Warnung, dass die Holdinggesellschaft wegen des beabsichtigten Verkaufs von Vertriebseinheiten der beiden Kernmarken und der Finanzierungsaktivitäten des schwedischen Lkw-Herstellers in Russland einen Verlust von über einer halben Milliarde Euro verbuchen müsste. Zusammen mit den bisher angefallenen Belastungen summieren sich die Mehrkosten für Traton im Zusammenhang mit Russland im Extremfall auf über 660 Mill. Euro.
Zum Vergleich: Der Dax-Neuling aus Stuttgart hat bislang aufgrund des Rückzugs aus Russland Zusatzkosten in Form einer At-equity-Wertminderung von 71 Mill. Euro verbuchen müssen. Drei Tage nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar zogen sich die Schwaben aus dem Gemeinschaftsunternehmen mit dem russischen Lkw-Bauer Kamaz zurück. Auch Traton lässt seit März dieses Jahres ihre Produktion am Standort Sankt Petersburg ruhen. Ob die Münchner auch einen Verkauf des dortigen Fertigungswerks anstreben, bleibt nach wie vor offen.
Gewiss, fürs operative Geschäft ist Russland für die global agierenden Unternehmen der Nutzfahrzeugbranche marginal. Umso mehr ist es jedoch erstaunlich, dass die bilanziellen Auswirkungen für die einzelnen Adressen eklatant auseinanderdriften. Die rote Laterne hält dabei wohl Traton.
Für die Konzernführung ist die jüngste Nachricht wenige Tage vor Beginn der weltgrößten Branchenmesse IAA Transportation in Hannover keine gute PR. Denn der Traton-Vorstandsvorsitzende Christian Levin, in Personalunion zugleich Chef von Scania, hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Holding auf ihrem Wachstumskurs profitabler zu gestalten. Im Wettstreit mit Daimler Truck um die globale Führungsrolle wirft ihn die Baustelle in Russland derweil zurück. Angesichts der brisanten geopolitischen Lage wegen des Ukraine-Krieges gilt aber auch für Levin die Devise: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.