LEITARTIKEL

Thyssenkrupps Selbstgespräche

Wenn Gespräche über eine Fusion von Thyssenkrupp und Salzgitter geführt werden, kann es sich nur um Selbstgespräche von Thyssenkrupp handeln. Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann sagte noch vor weniger als zwei Wochen: "Bis heute habe ich noch kein...

Thyssenkrupps Selbstgespräche

Wenn Gespräche über eine Fusion von Thyssenkrupp und Salzgitter geführt werden, kann es sich nur um Selbstgespräche von Thyssenkrupp handeln. Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann sagte noch vor weniger als zwei Wochen: “Bis heute habe ich noch kein Konzept zur Fusion mit einem Wettbewerber im Stahl gesehen, das eine für uns erkennbar vorteilhafte Perspektive beinhaltet hätte.” Fuhrmann entscheidet auch nicht allein, sondern damit müsste sich der Aufsichtsrat befassen. In diesem hat das Land Niedersachsen aufgrund der Beteiligung von 26,5 % eine gewichtige Stimme. Auch wenn der Börsenwert von Salzgitter auf knapp 1 Mrd. Euro abgeschmolzen ist: Am Land Niedersachsen käme Thyssenkrupp bei einem Vorstoß nicht vorbei. Ein Zusammenschluss der beiden Stahlkonzerne würde den Abbau Tausender Stellen in Deutschland nach sich ziehen. Das Land Niedersachsen wäre schlecht beraten, wenn es sich dazu hergäbe, Fehler von Thyssenkrupp aus der Vergangenheit auszubügeln. Die Spekulationen zeigen wohl eher, wie groß die Not bei Thyssenkrupp ist. Dem chronisch eigenkapitalschwachen Konzern steht das Wasser bis zum Hals. Gespräche über eine Fusion mit Salzgitter? Das kann man getrost vergessen.Anderen Gerüchten zufolge will Thyssenkrupp den Duisburger Stahlhändler Klöckner & Co. (KlöCo) übernehmen. Tatsächlich haben Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff und KlöCo-CEO Gisbert Rühl schon eineinhalb Jahre über verschiedene Optionen eines Zusammengehens gesprochen, vielleicht in der Form eines Gemeinschaftsunternehmens. Das Gerücht einer Komplettübernahme dürfte wohl aber mehr dem Aktienkurs von KlöCo und deren Aktionären helfen als irgendjemand sonst. Allzu schnell wird nichts passieren – wenn sich überhaupt jemals etwas tut. Warum sollte Thyssenkrupp auch die Aufzugssparte verkaufen, um sich einen Händler mit niedrigen Margen einzuverleiben – selbst wenn dieser billig zu haben ist? Das ändert nichts an den eigenen Problemen mit dem margenschwachen Werkstoffhandel. Entsprechend schrumpfte der Aktienkurs von KlöCo nach einem kurzen Sprung um 18 % am Freitag auch schnell wieder auf Normalmaß zurück. Dass eine Übernahme von KlöCo – der Börsenwert liegt bei 500 Mill. Euro – unmittelbar bevorsteht, ist äußerst unwahrscheinlich. Schon allein weil Thyssenkrupps Kassenlage ohnehin angespannt ist.Wenn Kerkhoff den finanziell angeschlagenen Industriekonzern zu alter Stärke zurückführen will, braucht er die Abkehr von der Idee seines Vorvorgängers Ekkehard Schulz, der das Industriekonglomerat zum Technologiekonzern formen wollte. Aus der Not heraus steht nun die Gesundschrumpfung auf das alte Kerngeschäft mit dem Stahl und die Abspaltung der Aufzugssparte auf der Tagesordnung – ohne große Sprünge bei Fusionen und Übernahmen. Diese Rückkehr zum Stahlgeschäft samt Trennung vom Rest hat Kerkhoff eingeleitet. Er steht aber in der Öffentlichkeit weniger klar zu seinem Plan, als er sollte. Vielleicht, weil er die Unterstützung der im Aufsichtsrat einflussreichen Gewerkschafter der IG Metall benötigt, um an der Spitze des Konzerns zu bleiben. Die IG Metall wird Bauchschmerzen damit haben, wenn die Aufzugssparte anstatt an die Börse zu gehen an einen Finanzinvestor verkauft wird, der das Unternehmen nach einer Schamfrist ganz oder in Teilen an einen der Wettbewerber Kone, Otis oder Schindler weiterverkaufen würde.Thyssenkrupp steht mit dem Rücken zur Wand. Der Aktienkurs ist auf 16-Jahres-Tief gefallen, es droht der Dax-Rauswurf, und die Bonitätsnote hat Ramschniveau. Das Kernproblem ist die Abwesenheit von nennenswertem Eigenkapital (2,5 Mrd. Euro) – bei einer gleichzeitig drückenden Pensionslast von 8 Mrd. Euro. In der Theorie bräuchte es einen Vergleich mit den Anspruchsberechtigten samt Einschaltung des Pensions-Sicherungs-Vereins, aber auch einen solchen Vergleich wird es nicht geben. Ebenso wenig kann es bei diesem niedrigen Aktienkurs eine einträgliche Kapitalerhöhung geben – zumal es dafür ohne genehmigtes Kapital eine außerordentliche Hauptversammlung bräuchte. So sieht es weiter düster aus. Zu befürchten steht ein Sterben des Konzerns auf Raten – zumindest des Konzerns in der heutigen integrierten Form. Daran ändern alle Pläne für Börsengänge, Verkäufe, Gemeinschaftsunternehmen und Kooperationen nicht allzu viel. Diese Einschätzung teilen auch viele Leerverkäufer der Thyssenkrupp-Aktie, darunter namhafte Adressen wie BlackRock, Capital Fund und Worldquant.——Von Christoph RuhkampThyssenkrupp führt keine Fusionsgespräche, sondern Selbstgespräche. Das Kernproblem des Konzerns sind die 8 Mrd. Euro Pensionslasten.——