KommentarKabinettsklausur

Trügerische Harmonie in der Ampel

Nachdem der Streitpunkt Kindergrundsicherung abgeräumt ist, kann die Kabinettsklausur etwas harmonischer werden. Aber zu harmonisch wird es auch nicht werden.

Trügerische Harmonie in der Ampel

Kabinettsklausur

Trügerische Harmonie

Von Angela Wefers

Nachdem der Streitpunkt Kindergrundsicherung abgeräumt ist, kann die Kabinettsklausur etwas harmonischer werden.

Gerade noch rechtzeitig vor der Kabinettsklausur hat die Ampel-Koalition einen Streitpunkt ausgeräumt: Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einigten sich auf die Kindergrundsicherung. Die Grünen-Politikerin hatte zuletzt gegen den Willen des grünen Vizekanzlers im Kabinett Lindners Entwurf zur Steuerentlastung von Unternehmen blockiert. Den ohnehin beschädigten Ruf der Ampel, über alles und jedes zu streiten, hat sie damit weiter ruiniert. Auch das Verhandlungsergebnis zur Kindergrundsicherung lässt bezweifeln, dass es dieses demonstrativen Akts bedurft hätte, um ihr Vorhaben durchzusetzen. Statt 2 Mrd. Euro im Jahr 2025 fallen nun 2,4 Mrd. Euro Ausgaben zusätzlich für bedürftige Kinder an. Die Ministerin war ursprünglich mit Forderungen von 12 Mrd. Euro angetreten. Im Etat von Lindner ist in zwei Jahren nur eine um 400 Mill. Euro größere Lücke zu schließen – 2 Mrd. Euro hatte er schon zusätzlich für die Kindergrundsicherung eingeplant. Damit ist der nächste Streit in Sicht. Denn es gilt, dass Ministerien ihre Mehrausgaben im eigenen Ressort einsparen müssen. Dies wird Paus nicht wollen, aber vielleicht müssen. Dieser Punkt blieb in der Einigung offen.

Wieviel die Kindergrundsicherung wirklich kosten wird, hängt zwar auch an der Höhe der Leistung, vor allem aber am Kreis der Berechtigten. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Hilfen aktuell nur zwei Fünftel der bedürftigen Familien erreichen. Unkenntnis und ein kompliziertes Antragssystem sind die Ursachen. Deutschland ist ein Entwicklungsland in der digitalen Verwaltung. Die geplante IT-Plattform für die Online-Beantragung von Familienleistungen soll erst 2029 stehen. Dies sagt keiner aus der Regierung laut. Dass das Mammutprojekt nicht früher fertig werden kann, dürfte realistisch sein. Ein Trauerspiel ist es dennoch.

Bei der Klausur wird es zumindest in einem Punkt harmonischer zugehen. Das Kabinett kann dem Wachstumsfinanzierungsgesetz von Lindner zustimmen, gegen das Paus nun "keine Einwände" mehr hat. Damit kommen Steuerentlastungen für Unternehmen von rund 6 Mrd. Euro. Die Ausweitung des steuerlichen Verlustvortrags könnte – nach den zwei Wochen unfreiwilliger Ruhezeit des Regierungsentwurfs – noch großzügiger ausfallen: ein Plus für die Wirtschaft. In reiner Harmonie wird das Kabinett aber nicht schwelgen. Die von Grünen und Teilen der SPD geforderte Subventionierung von Industriestrom stößt bei Lindner und der FDP auf Widerstand. Der nächste Streit ist schon wieder vorprogrammiert.

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