Notiert inSchanghai

Turbozeiten im Snack-Paradies

Chinas Snack-Szene ist allein von der Buntheit und Vielfalt her wie von einer anderen Welt. In trüberen Konjunkturzeiten wird umso begeisterter zugeschlagen.

Turbozeiten im Snack-Paradies

Notiert in Schanghai

Turbozeiten im Snack-Paradies

Von Norbert Hellmann

Mit Chinas Konsumkräften steht es derzeit nicht zum Besten. Parteifunktionäre und Wirtschaftsplaner suchen händeringend nach Lösungen, die Verbraucher zu stimulieren. Es hapert vor allem auf Ebene der mittleren und größeren Haushaltsanschaffungen vom Kühlschrank bis zum Elektroauto, um das Konsumniveau in Schwung zu halten.

Branchenboom

Das muss nicht heißen, dass sich die Verbraucher gar nichts mehr gönnen können und wollen.  Allerdings verlagert sich das Verwöhnungsspektrum auf die kleineren Alltagsfreuden, in denen man Unvernunft walten lassen kann, ohne sich finanziell das Genick zu brechen. Der Einzelhandel mag insgesamt lethargisch wirken, Turbowachstum aber verzeichnet die Snack-Food-Branche. Diese lässt sich allein schon in Sachen Verpackungsmüll, den sie generiert, mit nichts in der Welt vergleichen.

Miniportionen einzeln verpackt

Chinesen lieben Snackwaren, und zwar mit größter Betonung auf Abwechslung. Während man in den westlichen Ländern Vielfalt vor allem an neue Geschmacksvariationen für Chips und Pausenriegel festmacht, erwarten chinesische Kunden im Snack Food Store hunderte von Artikeln, allesamt in Miniportionen abgepackt, die am Ende nach Gewicht verrechnet werden.

Man kennt das Konzept vielleicht annähernd von Süßwarentheken in westlichen Kaufhäusern. Der Unterschied ist aber freilich, dass nicht Gummibärchen und Lakritzschnecken im Vordergrund stehen, sondern salzige Kleinigkeiten. Dazu gehört schon einmal jedes erdenkliche Tierorgan vom geschnetzelten Schweineöhrchen, über die scharf eingelegte Entenzunge bis zum Schafsdarm mit Kuminwürze, aber auch alles, was mit Obst, Nüssen, Tofu und Teig zu tun hat.

Tausende Variationen

Das junge Publikum fährt auf neue Trendmarken ab, die sich im Franchise-System verbreiten. Seit dem vergangenen Jahr schießen Snack-Läden wie Pilze aus dem Boden und etablieren sich abseits teurer Einkaufsmeilen nahe größerer Wohnanlagen und Bürokomplexen, um Laufkundschaft auf dem Nachhauseweg abzupassen und aus dem tristen Alltag zu locken.

Das Geschäftsmodell von Ketten wie Lyfen, Busy For You, und Lingshi Henmang setzt auf Turboexpansion und Produktvielfalt. Letztere etwa hat über 2.200 Snackvariationen im Angebot. In den mittlerweile über 5.000 Filialen haben im vergangenen Jahr rund 340 Millionen Kunden vorbeigeschaut.

Supersizing geht auch in China

Auf Basis des Erfolgsmodells mit den Winzig-Verpackungen lässt sich freilich auch Supersizing im US-Stil orchestrieren. Jüngster Renner sind Monsterpacks von Marken wie Lay’s Potato Chips und Oreo Cookies, bei denen Dutzende von Kleintütchen in einer meterhohen Riesenschachtel über den Ladentisch wandern.

Praktisch ist das allein vom Transporterlebnis her nicht, aber ein garantierter Renner für Familienanlässe, bei denen das Mitbringsel den begeisterten Youngster überragt. So gesehen scheint China gar auf gutem Wege, auch das Problem mit den größeren Anschaffungen zu lösen

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.