Im BlickfeldBankenkonsolidierung

Übernahmekampf gegen den Rest der Welt

Das feindliche Angebot von Spaniens zweitgrößter Bank BBVA für den heimischen Mitbewerber Sabadell steht vor mehreren hohen Hürden.

Übernahmekampf gegen den Rest der Welt

Übernahmekampf gegen den Rest der Welt

Das feindliche Angebot von Spaniens zweitgrößter Bank BBVA für Banco Sabadell steht vor vielen Hürden. Immerhin: Zumindest die EZB sieht es positiv.

Von Thilo Schäfer, Madrid

In spanischen Medien läuft dieser Tage eine etwas ungewöhnliche Werbekampagne. Banco Sabadell unterstreicht seine Rolle als Bank für Unternehmen, die 30% der Finanzierung der Firmen leistet und sogar 35% der Exportdarlehen. „Es ist deine Firma. Es ist dein Leben. Wir sind gerne deine Bank. Du entscheidest“, heißt es am Schluss der Annoncen und Spots. In der Tat ist Spaniens viertgrößtes Geldinstitut traditionell sehr stark im Geschäft mit mittelständischen und Kleinunternehmen tätig. Viele der Kunden sind gleichzeitig Aktionäre der Bank. Und an die richtet sich die Werbebotschaft. Denn Sabadell hofft, das feindliche Angebot der Großbank BBVA an ihre Anteilhaber vereiteln zu können.

Spaniens zweitgrößte Bank will mit der Ende April abgegebenen Kaufofferte für den Mitbewerber einen neuen europäischen Riesen schaffen, mit einer Bilanzsumme von 1 Bill. Euro und weltweit 100 Millionen Kunden. Doch der Aufsichtsrat von Sabadell lehnte das Angebot ab, weil er der Ansicht ist, dass die gebotenen 12,2 Mrd. Euro in Aktien das Institut unterbewerten und man generell allein weitermachen wolle. Daraufhin ging BBVA um den Vorsitzenden Carlos Torres zu einem feindlichen Angebot direkt an die Aktionäre von Sabadell über.

Das ist in Spanien ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, der in der Finanzbranche für Kopfschütteln gesorgt hat. Denn BBVA hat sehr viele Leute gegen sich aufgebracht. Die Gewerkschaften fürchten um Arbeitsplätze und die Arbeitgeberverbände um die mögliche Verschlechterung der Finanzierung durch den geringeren Wettbewerb. Vor allem am Mittelmeer in Katalonien und Valencia, wo die Überschneidungen der beiden Banken am größten sind, ist der Widerstand erheblich, auch der der Landesregierungen. Schließlich ist die spanische Regierung aus Wettbewerbsgründen ebenfalls gegen die Übernahme. Bei einem Zusammenschluss würden die drei großen Banken, Santander, Caixabank und BBVA, 70% des Marktes beherrschen.

„Einmaliges Durcheinander“

Doch Torres und sein CEO Onur Genç halten unbeirrt an ihrem Ziel fest und sind auf eine lange und harte Übernahmeschlacht mit vielen und teils hohen Hürden vorbereitet. Das erste Hindernis gestaltet sich noch relativ unkompliziert. Am 5. Juli müssen die Aktionäre von BBVA auf einer außergewöhnlichen Hauptversammlung einer Kapitalerhöhung für den Kauf von Sabadell zustimmen. Drei Stimmrechtsberater haben sich für die Operation ausgesprochen, allerdings mit Bedenken. Glass Lewis warnt vor einem „einmaligen Durcheinander“ und „regulatorischen Ungewissheiten“. Strategisch mache die Übernahme dagegen Sinn.

Die Analysten haben ebenfalls differenzierte Ansichten. Die meisten sehen ein, dass ein Kauf in Spanien BBVA dabei hilft, ihre steigende Abhängigkeit von Wachstumsmärkten zu reduzieren, die mittlerweile zwei Drittel des Geschäfts ausmachen, allein mehr als die Hälfte in Mexiko. BNP Paribas hält den Schritt für falsch, Goldman Sachs dagegen für richtig. Die Ratingagenturen heißen die Entscheidung von BBVA aus strategischen Gründen gut. Sie warnen aber vor den Risiken einer langen und harten Abwehrschlacht, die das Management beider Banken zu sehr vom Tagesgeschäft ablenke.

In der Tat sind die Vorstände von BBVA und Sabadell auf Roadshow, um die Investoren von ihrem jeweiligen Standpunkt zu überzeugen. BBVA muss gleichzeitig noch die diversen Aufsichtsbehörden mit Informationen versorgen, nicht nur in Spanien, sondern auch in anderen Ländern, in denen man präsent ist.

Torres geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank grünes Licht geben wird. In Frankfurt ist man generell offen für die Konsolidierung der Branche, die zu stärkeren europäischen Kreditinstituten führt. „Im Wesentlichen glauben wir, dass ein europäischer Bankenmarkt durch grenzübergreifende Fusionen geschaffen wird. Aber dafür muss man manchmal erst nationale Zusammenschlüsse machen“, sagte der Vizepräsident der EZB, Luis de Guindos, Anfang Juni dem spanischen Radiosender Onda Cero.

Als Nächstes muss die spanische Börsenaufsicht CNMV das Kaufangebot absegnen. Sie hat bereits zusätzliche Informationen eingefordert, etwa zum Risiko durch den Spionageskandal um den ehemaligen Polizeikommissar José Manuel Villarejo. BBVA muss sich vor Gericht wegen vermeintlicher Abhöraktionen der Konkurrenz verantworten. Eine Verurteilung wäre ein Imageschaden, der die Aktionäre von Sabadell bei ihrer Entscheidung beeinflussen könnte. Dann muss die spanische Wettbewerbsaufsicht CNMC den Zusammenschluss auf seine Auswirkungen auf die Wirtschaft prüfen. Bei BBVA vertraut man auf den positiven Effekt eines Präzedenzfalls. Denn der Zusammenschluss zwischen Caixabank und Bankia 2021 wurde ohne große Auflagen von den Wettbewerbshütern genehmigt, wobei es sich freilich um eine freundliche Übernahme handelte. Torres verwies zudem auf das wachsende Online-Banking. „Das ist eine ganz andere Form von Wettbewerb, welche die CNMC sicherlich in Betracht ziehen wird“, erklärte der BBVA-Vorsitzende.

Schließlich muss der Widerstand der spanischen Linksregierung gebrochen werden. Auf einer Veranstaltung des Vereins der Wirtschaftsjournalisten APIE im Juni in Santander traf Torres mit dem Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo zusammen. Der Banker versicherte, dass man auch ohne einen nennenswerten Stellenabbau die anvisierten Synergieeffekte von 850 Mill. Euro im Jahr erreichen werde. Dennoch bleibt Cuerpo bei seiner Drohung, den organischen Zusammenschluss der beiden Banken zu verbieten. Den Kauf eines Mehrheitsanteils von Sabadell durch BBVA kann die Regierung nicht verhindern.

Fusion verbieten

Torres nahm den Handschuh auf und erklärte, dass man trotzdem an der Übernahme festhalte. „Wir können auch so im Wesentlichen die Einsparungen durch allgemeine Betriebskosten und Technologie erreichen. Die Operation wäre in dieser Situation weiterhin sehr attraktiv“, erklärte Torres. Doch die Analysten haben Zweifel, ob sich eine Übernahme ohne anschließende organische Verschmelzung noch lohnen würde.

Klar ist lediglich, dass die Übernahmeschlacht sehr lange dauern wird. Es sind derzeit viele Fragen offen für die Aktionäre von Sabadell, die über den Verkauf ihrer Anteile entscheiden müssen. Die Werbekampagne kommt daher vielleicht ein bisschen zu früh.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.