Fluglinien

Ukraine-Krieg kommt Luftfahrt-Branche teuer zu stehen

Zwar betreiben die meisten europäischen Fluglinien Treibstoff-Hedging, um sich gegen Kostenschwankungen abzusichern, den Materialaufwand erhöhen dürfte der enorme Ölpreisanstieg aber dennoch.

Ukraine-Krieg kommt Luftfahrt-Branche teuer zu stehen

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Der Krieg in der Ukraine würgt die in den vergangenen Wochen registrierte Erholung des Flugverkehrs ab. Innerhalb Europas gingen die Flugbuchungen vom 24. Februar bis 2. März im Vergleich zur Vorwoche um 23% zurück, wie aus Daten des Reiseforschers Fordwardkeys hervorgeht. Die Daten gelten als erster Hinweis darauf, wie sich die Nachfrage nach Reisen angesichts des Krieges in Europa entwickeln dürfte. Verbindungen von und nach Russland und die Ukraine machen für die meisten europäischen Airlines nur einen geringen Teil ihres Geschäfts aus (siehe Grafik), allerdings belastet die kriegerische Auseinandersetzung die Nachfrage insgesamt.

Doch der Krieg in Osteuropa hat noch weitreichendere Folgen für die Branche als eine Nachfragedelle. Er hat dazu geführt, dass der Ölpreis sich deutlich erhöht hat, und das könnte die Airlines im Jahresverlauf stark belasten. Rohöl der Sorte Brent wurde gestern mit rund 110 Dollar pro Barrel gehandelt, gegenüber 79 Dollar zu Beginn des Jahres 2022. Zwar betreiben die meisten europäischen Fluglinien Treibstoff-Hedging, um sich gegen Kostenschwankungen abzusichern, den Materialaufwand erhöhen dürfte der Preisanstieg aber dennoch. Die Ratingagentur Moody’s schätzt, dass ein Anstieg des Treibstoffpreises um 50 bis 60% für eine Airline, die rund 60% ihres Bedarfs abgesichert hat, zu einem Anstieg der Kerosinausgaben um rund 20 bis 25% führen dürfte. Die Lufthansa hat letzten Angaben zufolge für 2022 rund 63% ihres Bedarfs zu einem Preis von 74 Dollar je Barrel gesichert. Im vergangenen Geschäftsjahr hat die deutsche Airline-Gruppe insgesamt 2,4 Mrd. Euro für Jetbenzin ausgegeben, das war der nach dem Personalaufwand zweitgrößte Kostenblock. Lufthansa hat bereits angekündigt, dass unter anderem wegen der höheren Treibstoffpreise die Tickets teurer werden dürften.

Viele Fluglinien haben laut Moody’s während der Pandemie ihre Treibstoffabsicherung reduziert. Wizz Air beispielsweise hatte in der Coronazeit eine No-Hedge-Politik verfolgt, nun aber erklärt, sie werde wieder absichern. Allerdings steigen die Kosten für die Hedging-Maßnahmen, wenn der Ölpreis anzieht, so dass Wizz Air trotzdem mit deutlich steigendem Kerosinaufwand konfrontiert sein dürfte. „Wizz Airs Wettbewerbsposition bei den Kosten wird geschwächt und die Profitabilität wird unter Druck geraten, wenn die Ölpreise für länger als ein paar Wochen hoch bleiben“, urteilt die Ratingagentur Fitch. Dagegen ist Ryanair mit rund 80% am höchsten abgesichert, was den Iren in den kommenden Monaten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen dürfte.

Der Airline-Verband IATA prognostizierte bislang für 2022 einen durchschnittlichen Ölpreis in Höhe von 67 Dollar (Stand Oktober 2021). Unter der Annahme eines durchschnittlichen Ölpreises von 100 Dollar würden die Treibstoffkosten 2022 schlimmstenfalls um 65 Mrd. Dollar ansteigen, schreiben die Airline-Analysten der Nord/LB in ihrer jüngsten Studie. Statt des von der IATA er­warteten kumulierten Verlustes der weltweiten Branche in Höhe von 12 Mrd. Dollar beliefe sich dieser bei einer entsprechenden Mehrbelastung dann auf 77 Mrd. Dollar.

Höhere Kosten zur Folge hat für die Fluglinien auch die Sperrung des russischen Luftraums. Denn Richtung Japan, China oder Südkorea müssen deshalb Umwege geflogen werden. Dadurch steigt der Kerosinverbrauch, außerdem macht es die Flugplanung schwierig, da sich betriebliche Abläufe ändern. Allerdings ist die Nachfrage auf diesen Strecken aufgrund der Pandemie nach wie vor niedrig. Anders sieht das im Frachtgeschäft aus, das auf Hochtouren läuft. Weil die Flugzeuge aufgrund der längeren Strecken mehr Treibstoff tanken müssen, sinkt die nutzbare Kapazität des Flugzeugs um rund 5 bis 20%, hat die Nord/LB berechnet. Das Flugverbot für russische Frachtairlines in Europa verknappt die Frachtkapazitäten zwischen Europa und Asien um weitere 5 bis 15%. „Aufgrund der ohnehin schon belasteten Lieferketten wird die nun zusätzlich reduzierte Kapazität voraussichtlich zu einem weiteren Aufwärtsdruck bei den Preisen führen“, so die Analysten.

Leasingfirmen in Not

In der Luftfahrtbranche am stärksten gebeutelt vom Ukraine-Krieg und seinen Folgen sind die Leasinggesellschaften. Leasingverträge mit russischen Airlines müssen im Rahmen der von der EU verhängten Sanktionen bis 28. März beendet werden. Die russische Regierung hat die Airlines aufgefordert, mit ihren geleasten Flugzeugen nicht außerhalb Russlands zu fliegen, um so das Risiko einer Beschlagnahmung zu umgehen. Zudem prüft das russische Verkehrsministerium angeblich die mögliche Beschlagnahmung und Verstaatlichung der Flugzeuge. Es geht dabei um 531 Maschinen mit einem Gesamtnettobuchwert von mehr als 10 Mrd. Dollar. Es sei denkbar, dass die Leasingfirmen in großem Stil Abschreibungen vornehmen müssen, weil sie an die Maschinen de facto nicht herankämen oder die Jets am Ende in so jämmerlichem Zustand seien, dass ihre Reparatur nicht mehr wirtschaftlich sei, heißt es dazu in einer Analyse von J.P. Morgan.

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