Ukrainekrieg treibt Gaspreis am Spotmarkt stark an
Energiemärkte
Ukrainekrieg treibt EU-Gaspreis an
Von Dieter Kuckelkorn
Wieder einmal nimmt der Ukrainekrieg Einfluss auf den Gaspreis in Europa. Der überraschende Vorstoß ukrainischer Truppen auf russisches Gebiet im Verwaltungsbezirk Kursk hat zu einer erheblichen Verunsicherung der Akteure am europäischen Gasmarkt geführt. Der Monatskontakt ist inzwischen über die Marke von 40 Euro je Megawattstunde geklettert, zuletzt binnen weniger Tage um 6%. Im März dieses Jahres hat der Preis noch bei 24 Euro gelegen. Die Marktteilnehmer hat hellhörig gemacht, dass offenbar auch die russische Stadt Sudscha in die Hände der ukrainischen Truppen gefallen ist. Dort befindet sich die letzte noch in Betrieb befindliche Übergabestation für per Pipeline nach Westeuropa transportiertes russisches Erdgas. Im Jahr 2022 hatte die Ukraine bereits den anderen großen Übergabepunkt geschlossen, was die durch die Ukraine transportierten Mengen auf ein Viertel reduziert hatte.
Abwanderung droht
Sollte die Station in Sudscha kriegsbedingt ausfallen, verliert die EU nach externen Schätzungen ungefähr 4,5% ihrer Erdgaslieferungen. Dies ist zwar für die europäische Gasversorgung nicht kritisch, zumal die Gasspeicher in der EU derzeit bereits zu mehr als 86% gefüllt sind. Die Ereignisse machen aber allen Beteiligten noch einmal deutlich, wie prekär die europäische Energieversorgung geworden ist. In Abwesenheit langfristiger Verträge und krisensicherer Lieferwege müssen die europäischen Energieverbraucher stets damit rechnen, dass Produktionsausfälle, Marktturbulenzen oder wie hier geopolitische Konflikte zu Verknappungen und in der Folge starken Preisanstiegen führen, vor denen sich die EU nicht mehr schützen kann und die den europäischen Unternehmen erheblich zu schaffen machen. Laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer erwägen vier von zehn Industriebetrieben, ihre Aktivitäten in Deutschland einzuschränken oder ganz ins Ausland abzuwandern. Bei den größeren Industrieunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind dies sogar mehr als die Hälfte. Die Deindustrialisierung könnte also rasch voranschreiten.