LeitartikelUS-Staatsanleihen

Ungesunde Hektik am Treasury-Markt

Nach den jüngsten Renditesprüngen dürfte die Volatilität am US-Staatsanleihemarkt in den kommenden Monaten erneut beträchtlich anziehen. Grund ist nicht nur der Zinskurs der Federal Reserve, sondern auch der enorme Finanzierungsbedarf des amerikanischen Staates.

Ungesunde Hektik am Treasury-Markt

US-Staatsanleihen

Ungesunde Hektik am Bondmarkt

Von Alex Wehnert

Am Markt für Treasuries drohen neuerliche Anstiege der Volatilität, die auch auf andere Assetklassen übergreifen dürften.

Am US-Staatsanleihemarkt herrscht eine ungesunde Hektik, die Investoren in diversen globalen Assetklassen in den kommenden Monaten noch vor erhebliche Probleme stellen dürfte. Nachdem der US-Arbeitsmarkt in der vergangenen Woche ein anhaltend robustes Bild lieferte, fuhren Investoren ihre Wetten auf ein baldiges Ende der restriktiven Geldpolitik der Federal Reserve zurück. Die Rendite der zehnjährigen Treasury schnellte darauf erstmals seit März über die Marke von 4%, die laufende Verzinsung des zweijährigen Titels sprang bis auf 5,12% – und damit auf den höchsten Stand seit 2007.

Investoren schienen damit endlich zu realisieren, was nie wirklich in Abrede stand: dass sich die Federal Reserve angesichts der konjunkturellen Stärke und der anhaltend hohen Inflation auch in den kommenden Monaten noch zu Zinserhöhungen gezwungen sehen würde. In der laufenden Woche sieht das Bild aber schon wieder etwas anders aus. Der S&P 500 liegt leicht im Aufwind, die Anleihemärkte haben sich nach den zwischenzeitlichen harten Rücksetzern stabilisiert. Denn die Investoren an der Wall Street hoffen darauf, dass am Mittwoch zur Veröffentlichung anstehende Inflationsdaten eine abgeschwächte Teuerung aufzeigen.

Darauf dürfte schnell wieder Ernüchterung folgen. Fed-Offizielle wie die Präsidentinnen der Notenbank-Ableger in San Francisco und Cleveland, Mary Daly und Loretta Mester, werden auch in der laufenden Woche nicht müde zu betonen, dass die Währungshüter noch Arbeit vor sich haben. Nichtsdestotrotz dürfte die Märkte auf absehbare Zeit ein Wechselspiel begleiten, in dem die Hoffnung auf ein weniger schwieriges Liquiditätsumfeld rund um Konjunkturveröffentlichungen wiederholt scharf aufflammt, um dann besserer Einsicht zu weichen. Der ICE BofAML Move Index, ein Maß für die Volatilität des US-Bondmarkts, hat wieder angezogen, nachdem er im Juni den tiefsten Stand seit Februar markiert hatte. Noch ist das Barometer zwar weit von den Niveaus oberhalb der 180-Punkte-Marke entfernt, die es nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank erreichte. Doch neuerliche Anstiege dürften folgen.

Dafür spricht nicht nur der Fed-Zinskurs, sondern auch der hohe Finanzierungsbedarf des Staates. Die Treasury dürfte zwischen Juni und Ende des Jahres Schatzwechsel im Volumen von mehr als 1 Bill. Dollar begeben, davon nach Prognosen von J.P. Morgan allein 850 Mrd. Dollar bis Ende September. Hintergrund ist der Anfang des vergangenen Monats beendete Streit um die US-Schuldenobergrenze. Denn während die demokratische Regierung mit republikanischen Vertretern im Kongress um einen Kompromiss im Haushaltskonflikt rang, konnte sich das Finanzministerium monatelang kein Geld über neue Wertpapiere leihen. Diese Emissionen holt es nun nach. Und wenngleich sich der Markt bei den jüngsten Auktionen aufnahmefähig gezeigt hat, ist doch mitnichten gesagt, dass es so entspannt weitergeht.

Vielmehr droht die Flut an T-Bills die Investoren zu überfordern. Gerade bei den Banken, die üblicherweise als Primärhändler im Markt aktiv sind, ist die Lage nach den jüngsten Verwerfungen im Sektor angespannt. Zudem müssen sie sich auf strengere Kapitalvorgaben vorbereiten. Das hohe Neuvolumen an Schatzwechseln ist für die Finanzinstitute und auch die Teilnehmer am Sekundärmarkt doppelt ungünstig. Denn einerseits dürfte das steigende Angebot Wertverluste in den Bestandsportfolios nach sich ziehen – und andererseits muss die Treasury angesichts der angespannten Liquiditätssituation bei den Banken verstärkt auf Geldmarktfonds zugehen.

Das Problem dabei: Das Finanzministerium muss die Cash-Vehikel bei seinen Auktionen über kurz oder lang mit Renditen locken, die höher ausfallen als die Zinsen auf Übernachtgeschäfte bei der Fed. Es droht ein Teufelskreis, in dem die Kombination aus fallenden Anleihekursen und steigenden Renditen von Geldmarktfonds die Banken beständig weniger in die Lage versetzt, sich an Treasury-Auktionen zu beteiligen. Geraten in der Folge weitere schwächer kapitalisierte Geldhäuser in Bedrängnis, dürfte dies zu neuen Ausschlägen des ICE BofAML Move Index führen. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ungesunde Hektik am Bondmarkt auch auf Aktien und andere Assetklassen übergreift.