Unruhe im Brummi-Reich
Déjà-vu bei Traton: Nach nur etwas mehr als einem Jahr hat der Aufsichtsrat der Volkswagen-Nutzfahrzeugholding sich abermals Knall auf Fall vom Vorstandschef getrennt. Nach Andreas Renschler im Juli 2020 musste nun sein Nachfolger Matthias Gründler vorzeitig gehen. Dass dieser zusammen mit dem Finanzvorstand das Münchner Unternehmen verlässt, ist ein Paukenschlag der besonderen Art. Denn der im VW-Reich gut vernetzte Chefaufseher Hans Dieter Pötsch setzte das Duo aufgrund hausinterner Konflikte vor die Tür, wie kolportiert wird.
Anhaltende Spannungen zwischen der Wolfsburger Konzernmutter und der Tochtergesellschaft waren wohl auch der Grund dafür, dass Renschler entnervt aufgab. So ähnlich verhielt es sich auch unter Gründler. Er soll sich bei Entscheidungen von der VW-Zentrale übergangen gefühlt haben. Der umstrittene Wechsel des einstigen Konzern-Betriebsratschefs Bernd Osterloh im Frühjahr zum Traton-Personalvorstand löste bei ihm wohl keine Begeisterung aus.
Dass ein CEO von Traton in diesem engen Korsett nach mehr „Unabhängigkeit“ strebt, mag verständlich sein, doch die Machtverhältnisse sind eindeutig. Mit einem Anteil von fast 90% an Traton gibt der Mehrheitseigentümer den Takt vor. Die Personalrochaden in kurzen Abständen sind aber ein Beleg für strukturelle Schwächen in der Corporate Governance. Eine dauerhafte Unruhe im Brummi-Reich mit den Kernmarken Scania und MAN kann sich Pötsch, zugleich Aufsichtsratvorsitzender von VW und Vorstandschef des VW-Großaktionärs Porsche SE, nicht leisten, wenn es darum geht, die Nutzfahrzeug-Mehrmarkengruppe zum Branchenprimus aufzubauen. Der an die Börse strebende Marktführer Daimler Truck bietet Paroli.
Angesicht des starken Wettbewerbs im Lkw-Geschäft und der Lieferengpässe wird es für den neuen Traton-Chef kein leichtes Spiel sein, die Vorgaben aus Wolfsburg umzusetzen. Scania-CEO Christian Levin, der in Personalunion das Lenkrad bei Traton übernimmt, steht vor einem Berg von Aufgaben. Dazu gehören die Integration des US-Neuerwerbs Navistar und die Restrukturierung von MAN. Die Münchner Einheit baut Tausende Stellen ab. Im Gegensatz dazu steht die schwedische Marke glänzend da. Vor diesem Hintergrund dürfte es für Levin ein Drahtseilakt sein, MAN-Chef Andreas Tostmann für seine Ziele einzubinden. Denn die einstigen Rivalen sind gezwungen, sich unter dem Konzerndach zusammenzuraufen. Dieses Unterfangen birgt Zündstoff. In seiner zusätzlichen Aufgabe geht Levin das Risiko ein, sich ebenfalls zu zerreiben.