US-Aufsicht zieht bei Hedgefonds die Daumenschrauben an
US-Aufsicht erhöht Druck auf Hedgefonds
Die SEC will durch neue Regeln für Private Funds systemische Risiken reduzieren. Kritiker befürchten, dass sie damit das genaue Gegenteil erreicht.
Von Alex Wehnert, New York
Für einige der aktivsten Trader im US-Aktien- und Staatsanleihemarkt wird es ungemütlich. Denn die US-Börsenaufsicht SEC verfolgt unter ihrem seit April 2021 amtierenden Vorsitzenden Gary Gensler eine beispiellose Regulierungskampagne gegen Private Funds – und hat zuletzt gegen den Widerstand republikanischer Behördenmitglieder neue Kapitalvorgaben und Transparenzvorschriften für zahlreiche Firmen durchgedrückt.
So finalisierte die Behörde in der vergangenen Woche eine Regel, durch die sich bestimmte im Treasury-Handel aktive Hedgefonds ähnlich wie große Banken als Wertpapier-Dealer registrieren müssen. Durch eine flankierende, gemeinsam mit der Derivate-Aufsicht CFTC beschlossene Neuregulierung müssen die Risikovehikel und andere Hochfrequenzhändler künftig zudem granulare Informationen zu ihrem Exposure gegenüber verschiedenen Assetklassen, Portfolio-Konzentrationen und ihren Finanzierungsvereinbarungen mit Kontrahenten wie Clearinghäusern vorlegen.
Durch die Regeleinführung will die SEC den Investorenschutz stärken sowie systemische Risiken schneller und eindeutiger erkennbar machen. Bereits im vergangenen August beschloss sie im Rahmen ihrer Kampagne im Private-Funds-Sektor Vorschriften, durch die Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften wie Blackstone und Apollo Global ihre Investoren wesentlich häufiger als zuvor über die Entwicklung von Gebühren, Ausgabenstrukturen und der Performance informieren müssen. Nebenabsprachen, durch die Produktanbieter große Anleger mit vergünstigten Konditionen locken können, schränkte die Aufsicht ein. Im Oktober weitete die Behörde Offenlegungspflichten zu Short-Positionen und Wertpapierleihgeschäften bedeutend aus.
Heftige Gegenwehr
Im Markt stößt die Aufsicht damit auf heftige Gegenwehr. „Die Regeln gefährden die Effizienz des Marktes und die Preisbildung und schaden Marktteilnehmern und Investoren“, schimpfte Jack Inglis, CEO der Alternative Investment Management Association, beispielsweise über die neuen Transparenzanforderungen zu Leerverkäufen. Sein Branchenverband reichte gemeinsam mit der Managed Funds Association und der National Association of Private Fund Managers Klage gegen die SEC ein – bereits in den vergangenen Jahren trafen sich Vertreter des Sektors und der Aufsicht wiederholt vor Gericht.
Die jüngst beschlossenen Regulierungsänderungen stoßen indes nicht nur Hedgefonds-Lobbyisten, sondern auch Vertretern von Steuerzahlern sauer auf. Sie befürchten, dass die neuen Vorgaben den Weg ebnen, um Investmentfirmen wie jene des ehemaligen Corporate Raiders Carl Icahn oder die von Kenneth C. Griffin geführte Citadel ähnlich wie führende Banken für „too big to fail“ zu erklären. Gerieten diese in Schieflage, könnten sie sich demnach künftig für staatliche Rettungspakete qualifizieren.
Icahn mit Problemen
Zwar hat sich die für ihre Multistrategie-Plattform bekannte Citadel zuletzt selbst in einem schwierigen Marktumfeld äußerst stark entwickelt und in der Lage gezeigt, trotz gestiegener Zinsniveaus milliardenschwere Gewinne an Investoren zurückzuführen. Doch gerade das Beispiel Icahns macht deutlich, wie schnell Hedgefonds-Firmen selbst unter Druck geraten können. So wurde seine Firma Icahn Enterprises im vergangenen Sommer Ziel einer Shortseller-Attacke von Hindenburg Research, die den Aktivisten mehrere Milliarden Dollar an Privatvermögen kosteten und seine Möglichkeiten einschränkten, neue große Wetten einzugehen. Icahn schraubt seine Deal-Aktivitäten mit Beteiligungen an Gesellschaften wie der Billig-Airline Jetblue gerade erst wieder langsam hoch.
Die SEC hält Kritikern der jüngsten Regulierungsänderungen indes entgegen, dass eine stärkere behördliche Aufsicht und härtere Transparenzanforderungen für Private Funds in den Vereinigten Staaten im Sinne des Investorenschutzes dringend nötig seien. Vor dem Start von Genslers Kampagne im Markt sei die Kontrolle „minimal“ ausgefallen. Die geringen regulatorischen Eingriffe hätten den Vehikeln im Zusammenspiel mit den niedrigen Zinsniveaus der vorangegangenen Jahre ein gewaltiges Mittelwachstum ermöglicht. Laut der SEC belief sich der Bruttovermögenswert von Private Funds in den USA im ersten Quartal 2018 auf 12,85 Bill. Dollar, im Zeitraum zwischen Januar und März 2023 waren es 20,48 Bill. Dollar.
Beobachter gehen davon aus, dass die Assets seither trotz eines mitunter widrigen Marktumfelds weiter angezogen haben. Gensler sprach zuletzt sogar von Volumina von über 26 Bill. Dollar. Damit würde der Marktwert aller von Hedgefonds, Private-Equity-Gesellschaften und anderen Risikovehikeln verwalteten Anlagen um rund 3 Bill. Dollar höher ausfallen als die kombinierten Bilanzsummen aller Geschäftsbanken der Vereinigten Staaten. „Private Funds sind heute mehr denn je mit den breiteren Kapitalmärkten verknüpft“, betont Gensler. Damit sei eine stärkere Transparenz im Segment entscheidend.
Folgen für den Anleihemarkt
Kritiker wenden indes ein, dass Regulatoren und Gesetzgeber in Washington die stark gestiegene systemische Bedeutung von Private Funds selbst zu verantworten haben. Der in Reaktion auf die Finanzkrise verabschiedete Dodd-Frank Act habe dazu geführt, dass sich traditionelle Geschäftsbanken aus einigen Segmenten des Kapitalmarkts zurückgezogen hätten. Mit der Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III rollten nun noch deutliche Aufschläge auf die harten Eigenmittelquoten auf Amerikas Finanzinstitute zu – dabei hätten die Verschärfungen der Kapitalvorgaben seit 2008 es den Geldhäusern schon erschwert, sich an Anleiheauktionen zu beteiligen.
Dies gilt insbesondere angesichts des Ausmaßes der US-Staatsausgaben, die das Finanzministerium über großvolumige Treasury-Emissionen finanzieren muss, als problematisch. Die für die Überwachung der Finanzstabilität zuständige Behörde FSOC zeigte sich in den vergangenen Monaten bereits besorgt darüber, dass das Wachstum der Verschuldung „den Treasury-Markt anfälliger für Schocks“ machen könne. Zugleich fällt die Federal Reserve infolge ihrer quantitativen Straffung zunehmend als Anker im Primärmarkt weg. Die Notenbank hat ihre Anleihebestände seit dem Sommer 2022 von nahezu 9 auf zuletzt nur noch etwas mehr als 7,6 Bill. Dollar reduziert.
Private Funds haben die Lücken, die durch die verringerte Fed-Aktivität und die abnehmende Aufnahmefähigkeit der traditionell als Primärhändler eingeplanten Geschäftsbanken entstanden sind, zuletzt zumindest teilweise gefüllt. Die FSOC zeigt sich besorgt darüber, dass das Wachstum der Vehikel und ihr hoher Leverage Turbulenzen am Treasury-Markt verschärfen könnten. Infolge der Regulierungskampagne der SEC und der resultierenden höheren Compliance-Kosten droht laut Branchenverbänden und Politikern wie dem republikanischen Senator Bill Hagerty nun aber eine ebenso wenig wünschenswerte Entwicklung: ein beschleunigter Rückzug von Hedgefonds und anderen Risikovehikeln aus dem Staatsanleihesegment. Damit bestehe die Gefahr, dass die Liquidität im global wichtigsten sicheren Anlagehafen noch bedeutend abnehme.