Im BlickfeldTreueprogramme für Kunden

US-Fintechs locken Unternehmen in instabilen Kreditkartenmarkt

Der Markt für Unternehmenskreditkarten weitet sich stark aus. Das begreifen Fintechs als Chance – doch die Ausfallraten im Segment ziehen scharf an.

US-Fintechs locken Unternehmen in instabilen Kreditkartenmarkt

Im Blickfeld

US-Fintechs locken Firmen
in instabilen Kartenmarkt

Der Markt für Unternehmenskreditkarten weitet sich stark aus. Das begreifen
Fintechs als Chance – doch die Ausfallraten im Segment ziehen scharf an.

Von Alex Wehnert, New York

New Yorker stehen beim Einkaufen regelmäßig vor einer strategischen Entscheidung. Denn in ihren Portemonnaies stecken im Durchschnitt vier verschiedene Kreditkarten, wie eine Erhebung des Anbieters Capital One zeigt – welche davon sie für die Zahlung nutzen, beeinflusst nicht nur ihren Bonitätsscore, sondern auch ihre Planung für Urlaube und Abendessen oder den Status ihres Autokredits. Denn während Allzweck-Kartenprogramme von Banken, die Kunden mit Cashback-Angeboten auf Einkäufe locken, in den USA weit verbreitet sind, hat sich der Markt für sogenannte Co-Branded Cards seit den ersten Airline-Meilenprogrammen der 1980er Jahre auf zahlreiche weitere Branchen ausgeweitet – das erkennen auch junge Finanztechnologie-Unternehmen zunehmend als Chance.

„Eine gute Erfahrung mit Kartenprogrammen erhöht die Kundenloyalität, die Frequenz von Käufen, höhere durchschnittliche Bestellwerte und damit die wiederkehrenden Erlöse von Unternehmen", sagt Todd Pollak, Chief Revenue Officer von Marqeta, im Rahmen der Finanzbranchenkonferenz „Money 20/20“ in Las Vegas Ende Oktober im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das im kalifornischen Oakland ansässige, seit 2021 an der New York Stock Exchange gelistete Unternehmen bietet eine Reihe an Lösungen im Zahlungs- und Kreditbereich an, darunter auch Dienstleistungen für die Ausstellung von Marken-Kreditkarten.

Nachfrage nimmt zu

So kümmert sich Marqeta auf ihrer Plattform nach eigenen Angaben um alle Details zur Ausgestaltung von Unternehmens-Kartenprogrammen, darunter die Gestaltung von Reward-Strukturen, die Verbindung mit dem passenden Underwriter und das Servicing der Kredite. Laut Pollak haben US-Firmen mit Endverbrauchergeschäft die Vorteile von Kunden-Kreditkarten in den vergangenen 20 Jahren besonders stark schätzen gelernt – und auch auf der Seite der Konsumenten herrsche eine starke Nachfrage.

Marqeta präsentiert dabei Daten aus einer Umfrage unter 3.000 Verbrauchern in den USA und Großbritannien. Die recht eindeutig aussehenden Ergebnisse: Global planten 72% der Nutzer, die mit ihrer bisherigen Kreditkarte zufrieden seien, dennoch Anträge auf eine neue Karte. In den USA zeigten sich 70% der Befragten empfänglich für Bonusprogramme und neue Funktionen, auch wenn sie zuvor keine Pläne gehegt hätten, sich eine neue Karte zuzulegen. In der Altersklasse zwischen 18 und 44 Jahren seien es sogar 88%.

Assetqualität auf Bankbilanzen erodiert

Die Kehrseite der Medaille: Der US-Kreditkartenmarkt befindet sich in einer äußerst instabilen Phase und wird zur Belastung für Amerikas Banken. S&P Global warnt vor einer erodierenden Assetqualität: Der Anteil der Kartenkredite in Zahlungsverzug ist zuletzt auf 3,3% geschnellt. Zudem hat die Abschreibungsquote nach Daten der Fed mit 4,5% den höchsten Wert seit 2011 erreicht. Die Lage für Verbraucher ist trotz einer stabileren Konjunktur angespannt: In Corona-Zeiten aufgebaute Ersparnisse sind aufgebraucht, auch der teure Basiskonsum finanziert sich auf Pump – und weil bei Zahlungsverzug Zinsen jenseits der 20% fällig werden, drohen einkommensschwache Haushalte in eine Abwärtsspirale zu rutschen.

Doch trotz zahlreicher Warnsignale geben im dritten Quartal per Saldo nur noch 20% der von der Fed befragten Banken an, ihre Vergabestandards im Kartensegment verschärft zu haben – dies bedeutet einen Rückgang von 16,4 Prozentpunkten zum Vorjahr. Die US-Kreditkartensalden schießen folglich auf beispiellose Niveaus jenseits von 1 Bill. Dollar. 

Gerade im Markt für Co-Branded Cards befinden sich dabei zahlreiche faule Äpfel im Korb. Prominentestes Beispiel sind die Kartenpartnerschaften von Goldman Sachs. Zwar wird das Geldhaus eine mit hohen Ausfallraten behaftete Kooperation mit General Motors an Barclays los – der Verkauf und andere Faktoren drückten den Vorsteuergewinn im dritten Quartal aber um 415 Mill. Dollar.

Schwache Bonitätsstruktur

Die GM-Karten richten sich meist an Kunden des Konzerns, die darüber Punkte sammeln und diese für Ratenzahlungen oder Service-Leistungen einlösen können. Die offenen Salden in dem Programm belaufen sich auf rund 2 Mrd. Dollar. Dass Goldman es nur verlustreich los wird, liegt laut Analysten vor allem an den hohen Ausfallraten. Bei Konten, die Goldman nach der Übernahme der Partnerschaft von Capital One im Jahr 2020 lancierte und die wohl ein Drittel des Portfolios ausmachen, liegt die durchschnittliche Abschreibungsquote auf Kartenkredite angeblich bei über 10%.

Die ungewöhnlich schwache Rückzahlungsaktivität dürfte laut Analysten darauf zurückzuführen sein, dass Flugmeilen- und andere Reisepunkte-Angebote bei vermögenderen Nutzern deutlich beliebter sind. Dies habe es für Goldman schwieriger gemacht, die GM-Karten zu vermarkten, weshalb die Bank für die Kundenakquise auf Drittparteien-Webseiten zurückgegriffen und Kreditnehmer mit niedrigeren Bonitätsscores angezogen habe.

Schwierige Konditionen in Apple-Programm

Die Veräußerung einer Kartenpartnerschaft mit Apple wird für Goldman wohl allein aufgrund des Volumens der enthaltenen Kreditkartensalden laut Analysten noch zur ungleich größeren Herausforderung. J.P. Morgan verhandelt diesbezüglich zwar wohl mit der New Yorker Konkurrentin, will angeblich aber weniger als den Nennwert der offenen Salden im Volumen von 17 Mrd. Dollar zahlen und befindet sich dabei laut Analysten durchaus in einer starken Verhandlungsposition. Denn Apple und Goldman stehen unter Druck, eine Nachfolgelösung zu präsentieren, nachdem das Aus für ihre Kartenkooperation mit 12 Millionen Nutzern bereits Ende des vergangenen Jahres bekannt geworden war.

„Wenn eine Bank sich nicht in der Position befindet, ein Kartenprogramm profitabel zu gestalten, wird es scheitern – ungeachtet dessen, wie erfolgreich die verbundene Marke ist“, räumt auch Marqeta-CRO Pollak ein. „Selbst im Fall von Apple wird es keine andere Bank auf der Welt geben, die das Programm zu genau den gleichen Konditionen übernimmt.“ Im Markt sei aber durchaus die Praxis verbreitet, Partnerunternehmen Versprechungen zur Ausgestaltung von Kartenkooperationen zu machen, die nur schwierig einzuhalten seien – auch deshalb seien häufige Wechsel eines Programms zu neuen Dienstleistern verbreitet.

Marqeta streicht Prognosen zusammen

Zugleich ächzten die an Co-Branded Cards beteiligten Banken unter einem „verschärften regulatorischen Umfeld“, betonte Marqeta im Rahmen der Zahlenvorlage zum dritten Quartal. Viele Partner-Finanzinstitute fokussierten sich stärker darauf, aktuelle Programme am Laufen zu halten als neue zu starten. Das verhagelt Marqeta die Wachstumsprognose: Für das vierte Quartal geht das Fintech von einem Umsatzplus von 10 bis 12% aus, nachdem es zuvor noch 16 bis 18% als Ziel ausgerufen hatte. Die Prognose für den Bruttogewinn kürzte das Unternehmen von 25 bis 27 auf 13 bis 15%.

Nach der Quartalsveröffentlichung brach die Aktie Anfang November binnen eines Handelstages um 42,5% ein, seit dem Börsengang im Juni 2021 hat sie 88% ihres Werts verloren. Nach dem jüngsten Kurssturz kreisen laut dem Branchendienst Ion Analytics Buyout-Firmen und größere Finanzdienstleister, darunter angeblich auch Mastercard und Visa, über Marqeta. Das grundlegende Problem der niedrigen Bonität von Schuldnern im Kundenkreditkartensegment dürften aber auch sie nicht in den Griff bekommen.

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