LeitartikelWall Street

US-Großbanken müssen für unterschätzte Zinsrisiken vorbauen

Den US-Banken stehen rasant steigende Zinskosten bevor. Dies dürfte auf Profitabilität und Anlegerstimmung lasten.

US-Großbanken müssen für unterschätzte Zinsrisiken vorbauen

US-Banken

Unterschätzte Zinsrisiken

Von Alex Wehnert

Den US-Banken stehen noch bedeutend steigende Zinskosten bevor. Dies dürfte auf Profitabilität und Anlegerstimmung drücken.

Die Risiken steigender Zinsen für US-Banken sind viel besungen – und doch unterschätzt. Denn auch auf die führenden Geldhäuser der Vereinigten Staaten dürften in den kommenden Monaten noch bedeutend höhere Aufwendungen zukommen, während in den Kreditportfolios zugleich mehr Bausteine locker sind, als viele Investoren derzeit im Fokus haben. An der Wall Street hat sich die Stimmung zwar aufgehellt, nachdem die führenden Universalbanken um J.P. Morgan und Bank of America im dritten Quartal mit einer stärker als erhofft ausgefallenen Gewinnentwicklung aufgetrumpft haben. Umso ungemütlicher dürfte es allerdings werden, wenn die Profitabilität im kommenden Jahr schneller als erwartet abflacht.

Noch zehren die Häuser von ihrer Größe. Sie können es sich daher bislang erlauben, an niedrigen Einlagenzinsen festzuhalten, während unter kleinen und mittelgroßen Instituten bereits in den vergangenen Monaten ein harter Wettbewerb um Depositen ausgebrochen ist. Damit einher geht zunehmender Druck auf die Netto-Zinsmargen, der auch den Großbanken noch blüht. Bei Citigroup und Wells Fargo ist das Profitabilitätsmaß bereits abgebröckelt. Und selbst bei Bank of America und J.P. Morgan, die ihre Nettozinsmargen nach Rücksetzern aus dem zweiten Jahresviertel wieder angekurbelt haben, machen sich steigende Belastungen bemerkbar. Beim Branchenprimus explodierten die Zinsaufwendungen im dritten Quartal um 170%. Wenngleich J.P. Morgan die Prognose für die Zinserträge im Gesamtjahr 2023 noch leicht angehoben hat, wachsen doch berechtigte Zweifel daran, dass dieses Wachstum noch lange mit den Folgekosten der nach wie vor restriktiven Geldpolitik Schritt halten kann.

Wer hingegen auf eine stabile Profitabilitätsentwicklung der Großbanken setzt, wird argumentieren, dass sich die Inversion der US-Zinskurve mittlerweile abschwächt. Denn die Teilnehmer an den Finanzmärkten rechnen inzwischen damit, dass der Fed eine weiche Landung für die Konjunktur gelingt und die Notenbank ihren Leitsatz länger auf höheren Niveaus belassen wird. In der Folge sind die Renditen am langen Ende zuletzt ausgehend von niedrigeren Niveaus schneller geklettert als die am kurzen. Dies ermöglicht es den Banken, sich zu günstigen Niveaus mit lang laufenden Staatsanleihen zu versorgen, während die Kosten für die kurzfristige Eigenfinanzierung nicht mehr im gleichen Maß anziehen.

Allerdings müssen Marktteilnehmer auch die mittelfristigen Auswirkungen der Zinsanstiege auf die Kreditportfolios beachten. Ab Ende 2024 rollt eine Refinanzierungswelle von Junk-Bond-Emittenten auf den Markt zu. Diese werden im Vergleich zu den günstigen Konditionen der Vorjahre infolge des Fed-Kurses auf wesentlich schwierige Bedingungen treffen. Die Kreditqualität dürfte in der Folge noch erheblich sinken, die Default-Risiken steigen.

Bereits jetzt reflektiert das Held-to-Maturity-Bondportfolio der Bank of America, ein wichtiger Treiber der Zinseinnahmen des Geldhauses, beispielhaft steigende Risiken im Markt: Die nicht realisierten Verluste aus Assets, die bis zur Fälligkeit gehalten werden sollen, sind seit dem dritten Quartal 2022 von 116 auf mehr als 130 Mrd. Dollar gestiegen. Gerade auf diese Held-to-Maturity-Papiere sollten Marktteilnehmer seit dem Frühjahr ihr Augenmerk legen. Ab Anfang März waren schließlich zahlreiche US-Finanzinstitute gezwungen, nicht zum Verkauf vorgesehene Positionen unter hohen Abschlägen abzustoßen – und verunsicherten Anleger massiv. Bei der Bank of America ist das gesamte Bondportfolio seit 2022 geschrumpft. Damit stehen dem Geldhaus nun deutlich weniger Fremdkapitalinstrumente abseits der Held-to-Maturity-Assets zur Verfügung, von denen es sich bei steigendem Liquiditätsbedarf schnell trennen kann.

In diesem Umfeld tun die US-Großbanken gut daran, ihre Risikovorsorgen weiter aufzustocken. Schließlich ist es nicht so, dass sie bei einer weiteren Eintrübung in den Kreditportfolios viele andere Mittel zur Hand hätten, um verunsicherte Anleger zu beruhigen. Dafür lasten die hohen Zinsen noch viel zu stark auf Geschäftsbereichen wie dem Investment Banking, wie auch die Quartalszahlen von Morgan Stanley am Mittwoch untermauert haben.