LeitartikelFinanzsektor

US-Regionalbanken stehen harte Jahre bevor

Die US-Zinskurve ist so stark invertiert wie seit Jahrzehnten nicht. Gerade für wenig liquide US-Regionalbanken bergen die Effekte der Fed-Geldpolitik nicht zu unterschätzende Langfrist-Risiken.

US-Regionalbanken stehen harte Jahre bevor

US-Regionalbanken

Harte Jahre voraus

Von Alex Wehnert

Die US-Zinskurve ist so stark invertiert wie seit Jahrzehnten nicht. Für wenig liquide US-Banken birgt dies erhebliche Risiken.

Nach den jüngsten Turbulenzen mag im US-Finanzsektor vorerst Ruhe eingekehrt sein – doch amerikanischen Regionalbanken stehen noch harte Jahre bevor. Denn gerade die Effekte der Geldpolitik der Federal Reserve dürften den Kreditinstituten weit über die aktuelle Marktphase hinaus nachhängen und für einige von ihnen zu existenzbedrohenden Herausforderungen werden. Nach dem restriktiven Kurs der Notenbank in den vergangenen Monaten ist die US-Zinskurve schließlich so stark invertiert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Banken können sich also nicht mehr zu günstigen Konditionen Geld bei der Fed leihen und zugleich zu weitaus höheren Zinsniveaus Kredite vergeben bzw. langlaufende Treasuries erwerben.

Gerade für ohnehin weniger liquide regionale Geldhäuser stellt dies eine Belastung dar – und Hedgefonds wetten mit so großen Volumina wie nie darauf, dass die Renditen zweijähriger US-Staatsanleihen noch deutlicher über die Verzinsung zehnjähriger Titel klettern werden. Hinzu kommt, dass Treasuries neben Kommunalanleihen und von staatlichen Kreditinstituten begebenen hypothekenbesicherten Wertpapieren den vermeintlich sichersten Teil der Portfolios amerikanischer Banken bilden. Und gerade bei US-Schatzwechseln steht durch die zu erwartende Emissionsflut – die Staatskassen sind nach monatelangem Schuldenstreit in Washington leergefegt – eine weitere Kurserosion bevor.

Schon der Status quo ist aber besorgniserregend: Laut Studien von Wirtschaftswissenschaftlern der Hochschulen Columbia, Northwestern und Stanford sowie der University of Southern California fällt der Verkehrswert der Assets von mehr als 2.300 US-Kreditinstituten geringer aus als ihre jeweiligen Verbindlichkeiten. Seit die Fed im März 2022 auf ihren restriktiven Kurs umschwenkte, dürften die nicht realisierten Verluste in den Portfolios demnach auf über 2 Bill. Dollar gewachsen sein. Zahlreiche Marktteilnehmer unterschätzen die in diesem Umfeld lauernden Risiken und wollen nach den Kursrücksetzern gegenüber Jahresbeginn Einstiegsgelegenheiten bei Aktien regionaler US-Geldhäuser erspäht haben. Sie sollten bedenken, dass Kaskadeneffekte im US-Finanzsystem nicht immer binnen weniger Wochen zutage treten: Nach dem Kollaps der Investmentbank Bear Stearns im März 2008 dauerte es beispielsweise sechs Monate, bis die Subprime-Krise in der Pleite von Lehman Brothers gipfelte. Zwar mögen die nach den jüngsten Turbulenzen im Markt verbliebenen Regionalbanken robuster aufgestellt sein als First Republic, Silicon Valley Bank und Signature Bank. Doch für den Fall, dass einige von ihnen den kollabierten Wettbewerbern über die kommenden Monate und Jahre in den Abgrund folgen sollten, sieht die Lage bedrohlich aus.

J.P. Morgan dürfte nach der Notübernahme der First Republic jedenfalls so schnell nicht wieder für neue Rettungsaktionen bereitstehen. Nach der Konsolidierung der vergangenen Jahrzehnte gibt es allerdings nur noch sehr wenige andere Banken, die eine spontane Transaktion in ähnlicher Größenordnung überhaupt stemmen könnten. Für die Vertreter des US-Finanzsektors gilt es also umso mehr, einen neuerlichen umfassenden Einlagenschwund zu verhindern, während sie die Verluste innerhalb ihrer Wertpapierportfolios schonend abbauen.

Das Problem dabei: Mit den Renditen kurzlaufender Staatsanleihen oder Geldmarktfonds werden die von den US-Banken gezahlten Einlagenzinsen auch weiterhin nicht mithalten können. Doch selbst wenn es den Kreditinstituten gelingen sollte, Mittelabflüsse längerfristig einzudämmen, wird ihre Lage dadurch nicht vereinfacht. Schließlich hat der für Aufsicht zuständige Fed-Vize Michael Barr nach dem jüngsten Bankenkollaps strengere Kapitalvorschriften in Spiel gebracht, die bereits ab einer Bilanzsumme von 100 Mrd. Dollar gelten sollen. Seither mehren sich an der Wall Street die Berichte über harte Aufschläge auf die bisher gültigen Eigenmittelquoten. Effektiv dürfte dies dazu führen, dass viele Regionalbanken die Kreditvergabe eindämmen werden, weniger Cash an die Aktionäre zurückführen können und eventuell verstärkt zu Kapitalerhöhungen greifen müssen. Nicht nur im fundamentalen Geschäft, sondern auch an der Börse droht in der Folge ein jahrelanger Abwärtstrend.

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