US-Verfassungsgericht bringt Republikaner ins Wanken
Notiert in Washington
McCarthy bangt um seinen Job
Von Peter De Thier
Seit knapp einem halben Jahr ist der republikanische Kongressabgeordnete Kevin McCarthy am Ziel seiner beruflichen Träume. Als „Speaker of the House“ ist er nicht nur der mächtigste Republikaner in Washington. Zudem würde er laut US-Verfassung die Präsidentschaft übernehmen, sollten der derzeitige Amtsinhaber Joe Biden und dessen Stellvertreterin Kamala Harris außerstande sein, ihren Job auszuüben.
McCarthys Stuhl als Speaker of the House wackelt aber. Etwa, weil er Vertretern der rechtsgerichteten „Freedom Caucus“-Fraktion, die sich unter anderem gegen den Deal zur Anhebung der staatlichen Schuldengrenze aufgelehnt hatten, zu moderat und kompromissbereit ist. Als diese Gruppe von Rebellen nach einem Wahlmarathon McCarthy erst bei der 15. Abstimmung ihr Votum schenkten, knüpften sie dies an eine Bedingung: Dass jeder einzelne einen Misstrauensantrag gegen McCarthy in die Wege leiten könnte. Diese Gefahr hängt seit Monaten wie ein Damoklesschwert über dem Kalifornier. Er weiß, dass er jederzeit abgewählt werden könnte. Auch von einem Republikaner.
Nun aber muss McCarthy nicht nur um seinen Traumjob bangen, sondern auch befürchten, dass seine Partei bei den nächsten Wahlen ihre Mehrheit verlieren könnte. Verantwortlich dafür ist der Oberste Gerichtshof der USA, wo sechs republikanischen Richtern drei demokratische gegenüberstehen. Umso überraschender, dass sie nun zwei Urteile fällten, die bei den nächsten Wahlen das Zünglein an der Waage spielen könnten, und zwar ausgerechnet zugunsten der Demokraten.
Am Montag entschied der der Supreme Court, dass der Staat Louisiana rechtswidrig handelte, als er die Grenzen seiner Wahlbezirke zum Nachteil der afroamerikanischen Bevölkerung festlegte. Die Folge: Fünf der sechs Abgeordneten aus dem konservativen Südstaat sind weiß und nur einer schwarz, obwohl Afroamerikaner dort ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Die Grenzen waren bewusst so gezogen worden, dass ausschließlich schwarze Nachbarschaften auf mehrere, überwiegend weiße Bezirke verteilt wurden und somit die Chance, dass ein afroamerikanischer Kandidat in das Repräsentantenhaus gewählt wird, geringer ist.
Urteil gegen „Gerrymandering"
Derartiges „Gerrymandering“, nämlich die künstliche Festlegung von Wahlbezirken, um eine Partei zu bevorzugen, verstieß nach Ansicht des Gerichts gegen den „Voting Rights Act“, der bei Wahlen rassistisch motivierte Diskriminierung verbietet. Zuvor hatten die Richter ein ähnliches Urteil in Alabama gefällt, und mit Blick auf 2024 könnten die Urteile immense Folgen haben. Zu erwarten ist nämlich, dass nun auch andere Staaten wie North Carolina, Georgia und Texas, die ebenfalls Gerrymandering betrieben haben, neue Grenzen festlegen müssen, um der ethnischen Zusammensetzung ihrer Bevölkerung gerecht zu werden.
Was bedeutet das für McCarthy? Jeder Bezirk, der künftig afroamerikanische Wähler akkurat repräsentiert, könnte bei den nächsten Wahlen den Verlust eines republikanischen Mandats bedeuten. Angesichts des hauchdünnen Vorsprungs, den die Republikaner derzeit im Repräsentantenhaus genießen, könnten die Mehrheitsverhältnisse schnell kippen. McCarthys Tage als drittmächtigster Mann in Washington wären dann gezählt, auch ohne dass die Rebellen in der eigenen Partei ihm in den Rücken fallen.
Bei den nächsten Wahlen könnte auch Donald Trump Probleme haben. Denn am Dienstag legte der Oberste Gerichtshof nach und entschied, dass einzelne Staaten nicht uneingeschränkte Macht haben, um bei Wahlen die Regeln festzulegen. Dabei hat Trump signalisiert, dass er wie 2020 bei einer Niederlage versuchen würde, das Ergebnis anzufechten und die Entscheidung republikanisch regierten Parlamenten zu überlassen. Diesem Ansinnen haben die Richter nun einen Riegel vorgeschoben und so auch Trump einen Denkzettel verpasst.