KommentarEU-Stabilitätspakt

Verheerendes Signal für den Stabilitätspakt

Reform der EU-Fiskalregeln: Deutschland verhandelt hart, doch Berlin droht, die Notfallregel zu ziehen. Ein schlechtes Signal für Stabilität und Haushaltsdisziplin.

Verheerendes Signal für den Stabilitätspakt

EU-Stabilitätspakt

Verheerendes Signal

Von Angela Wefers

Die neuen EU-Fiskal-
regeln wirken strenger als die Schuldenbremse.
Das war vorhersehbar. Aber keiner hat gehandelt.

Kritisch beäugt wurde sie – die Reform der europäischen Fiskalregeln. Der neue Stabilitäts- und Wachstumspakt mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, die Vorgaben für einzelne Länder individuell anzupassen, schien noch weiter aufzuweichen. Deutschland hat hart verhandelt. Zwei Extrasicherungen blieben neben den künftigen Vorgaben für die Ausgabenpfade bestehen: Die ursprünglichen Messgrößen von Schuldenstandquote und Defizitquote sind weiterhin Teil des Pakts.

Das reformierte Regelwerk ist nun im Realitätscheck. Die EU-Länder müssen ihre Haushaltspläne bis Mitte Oktober in Brüssel abliefern. Aber ausgerechnet Deutschland muss womöglich die Notfallregel ziehen, die eigentlich nur für hoch verschuldete Länder gedacht war, und sich mehr Zeit kaufen. Ein verheerendes Signal! Berlin versteht sich als Stabilitätsanker und will nun gleich am Anfang die Extraregeln nutzen.

Der Pakt gibt den Ländern im Regelfall vier Jahre, um auf den Pfad stabiler Finanzen zurückzukehren. Auch sieben Jahre sind möglich. Der Preis dafür sind aber Strukturreformen. Diese Reformen müssen Wachstumschancen erhöhen, Investitionen stärken und demografische Kosten senken. Alles zusammen erhöht die Schuldentragfähigkeit. Aber hier wird es weich: Ein ganzer Strauß von Annahmen spielt bei der Einschätzung der Wirkung eine Rolle. Transparent ist etwas anderes. Immerhin will Berlin ehrlich rechnen. Das tatsächliche und deutlich höhere Ausgabenniveau 2024 treibt als Basisjahr das Ausgabenwachstum von 2025 an in die Höhe. Das wäre regelwidrig. Im Juni, als die Kommission den Referenzpfad empfahl, galten noch günstigere Konjunkturschätzungen.

Ein schlechtes Signal in die EU ist auch, dass Berlin die Oktober-Frist versäumt, um seine Budgetplanung abzugeben. Die Erkenntnis, dass die neuen EU-Vorgaben strenger sind als die deutsche Schuldenbremse, kommt nicht ganz überraschend. Im Juni, noch mitten in den Etatverhandlungen der Ampel, hatte der Bundesfinanzminister Warnungen an die Koalitionspartner gesandt. Mehr Ausgabendisziplin gab es nicht. Vielmehr klafft immer noch ein Loch von 12 Mrd. Euro im Bundeshaushalt 2025 – dem Jahr, in dem Ausgaben nach EU-Recht noch stärker reduziert werden müssen. Die Auflagen der EU-Fiskalregeln betreffen auch Bundesländer und Gemeinden. Der Bund hat zwar in Brüssel neue Regeln verhandelt, aber versäumt, sie auch national umzusetzen. Damit dürften sich die Länder nun aus der Affäre ziehen. Auch dies ist ein schlechtes Signal für fiskalische Stabilität in Deutschland.


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