Frankfurt

Vertragsabschluss per Ghettofaust

In der Pandemie hat sich auch bei geschäftlichen Begegnungen die Ghettofaust zur Begrüßung durchgesetzt. Händeschütteln gilt als grenzwertig, eine Umarmung als übergriffig. Doch der Faustgruß hat durchaus seine Tücken.

Vertragsabschluss per Ghettofaust

Früher war alles anders. Wenn man in Alltagssituationen nicht sicher war, wie man sich verhalten sollte, nahm man den Knigge oder das „Einmaleins des guten Tons“ zur Hand und fand dort Antworten auf Fragen wie: Wann gibt man definitiv keinen Handkuss? Auf Beerdigungen. Oder: Wo läuft der Mann auf dem Bürgersteig? Auf der dem Verkehr zugewandten Seite. Es sei denn, der Bürgersteig ist stark verschmutzt (Hunde!).

Knigge und andere Anstandsfibeln sind – dem Himmel sei Dank! – längst in Antiquariate verbannt. Niemand hat sie seither je vermisst. Überhaupt ist das Bedürfnis nach Fingerzeigen, wie man sich im täglichen Leben verhalten soll, sehr überschaubar. Wobei: Seit Corona ist es wieder etwas gestiegen.

Die Pandemie sorgt immerhin für eine gewisse Verunsicherung – vor allem bei geschäftlichen Begegnungen. Das beginnt bei der Begrüßung. Die Ghettofaust hat, um im Bild zu bleiben, die Oberhand gewonnen. Händeschütteln gilt zumindest als grenzwertig, eine Umarmung definitiv als übergriffig. Doch der Faustgruß hat durchaus seine Tücken. Zu schwungvoll ausgeführt, kann er schmerzhaft sein. Und noch immer trifft man auf Gesprächspartner, der die Geste spürbar zu halbstark daherkommt. Ein Tipp unter Freunden: Langsam ausgeführt und sprachlich begleitet („Darf ich Ihnen die Faust reichen?“) wirkt der Fist Bump eleganter.

Gleich zur Begrüßung stellt sich natürlich die G-Frage. Ist die oder der Gegenüber genesen, geimpft, geboostert und getestet? Wer dieses Thema aus vermeintlicher Höflichkeit ausspart, setzt sich dem Verdacht aus, es selbst mit der Hygiene nicht so ernst zu nehmen. Als ich kürzlich mit einem Gesprächspartner in ein Restaurant einkehrte, beäugte der Gastwirt den QR-Code unserer Impfzertifikate allenfalls wenige Nanosekunden. Und er hätte wohl auch nicht gemerkt, wenn ich ihm statt meines Personalausweises irgendeine Blockbuster-Videoclub-Karte vorgezeigt hätte. Was wiederum zur Folge hatte, dass wir uns anschließend beim Gang ans Salatbuffet spürbar unwohl fühlten.

Findet das Treffen im Büro statt, so ist bei der Sitzordnung natürlich auf Abstand zu achten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Russlands Präsident Wladimir Putin haben vor wenigen Tagen im Kreml schulbuchmäßig vorgeführt, wie weit man dabei gehen kann. Bei ihrem Treffen nahmen sie an den Kopfenden eines gut und gerne sieben Meter langen Tischs Platz – und reizten damit die maximale Entfernung aus, auf die man sich unterhalten kann, ohne Mikrofone oder Flüstertüten nutzen zu müssen.

Sensibilität ist schließlich beim Thema Lüftung gefragt. Ich habe jüngst an einer geschäftlichen Zusammenkunft teilgenommen, bei der die Fenster so oft geöffnet wurden, dass es letztlich gefühlt im Raum kälter war als draußen. Sollten Sie feststellen, dass Geschäftskunden, wenn Sie zu Ihnen ins Büro kommen, den Mantel beim Betreten der Konferenzräume nicht aus-, sondern erst anziehen, empfiehlt sich ein Nachdenken darüber, ob Sie vielleicht über das Ziel hinausgeschossen sind.