Siltronic-Übernahme

Viele Gewinner

Für die angestrebte Übernahme von Siltronic durch Global Wafers zeichnen sich Vorteile für beide Unternehmen ab. Auch Kunden könnten profitieren.

Viele Gewinner

Die zweite Erhöhung des Angebots innerhalb von nur zwei Tagen brachte den Durchbruch: Global Wafers ist es gelungen, sich mehr als die Hälfte der Aktien von Siltronic zu sichern. Die erste Etappe auf dem Weg zum zweitgrößten oder sogar größten Hersteller von Siliziumscheiben für Halbleiter hat der taiwanische Konzern geschafft, denn die auf 50% gesenkte Mindestquote ist übertroffen. Als nächste Schritte sind die Zustimmung aller zuständigen Kartellbehörden und die Freigaben nach dem Außenwirtschaftsrecht in Deutschland sowie für Auslandsinvestitionen in den USA erforderlich. Gibt es keine Einwände, könnte Global Wafers die Übernahme in der zweiten Hälfte dieses Jahres perfekt machen.

Das Vorhaben fällt in eine Phase, in der das Geschäft der Halbleiterindustrie und ihrer Zulieferer glänzend läuft. Die Coronakrise gibt der Digitalisierung einen Schub: Die Nachfrage nach Servern, Laptops und anderen Geräten ist groß. Hinzu kommen Trends wie die Zunahme der Halbleiter in Autos.

Wer profitiert von dem taiwanisch-deutschen Projekt, wenn es gelingt? Wem könnte dieser Zusammenschluss Nachteile bringen? Vorteile ziehen die beiden Unternehmen aus der gemeinsamen Größe, die sich allein aus ihrer Kombination ergibt. Zusammen schließen die Nummer 3 und 4 zum japanischen Weltmarktführer Shin-Etsu auf. Skaleneffekte spielen in der Wafer-Industrie eine wesentliche Rolle: Das beginnt in der Forschung und Entwicklung und reicht bis zur Fertigung. Gemeinsam vergrößern beide Unternehmen ihr Produktangebot und ihre Präsenz in den Märkten. Siltronics Stärke ist vor allem die Technologie, Global Wafers hat Vorteile in der Lieferkette.

In der Branche sind wie in der Halbleiterindustrie hohe Investitionen notwendig. Ein neues Werk kostet in der Regel mehr als 1 Mrd. Dollar. Zusammen lassen sich solche Ausgaben leichter schultern, auch für einen Ausbau der bisherigen Fabriken. Der einstige Mutterkonzern Wacker Chemie ist nicht mehr dazu bereit; der Börsengang von Siltronic 2015 war der Einstieg zum Ausstieg. Die Offerte von Global Wafers bringt Wacker mehr als 1,3 Mrd. Euro ein: Geld, das das Unternehmen in sein Chemiegeschäft investieren kann. Somit wäre auch Wacker ein Gewinner der Übernahme.

Welche Folgen zeichnen sich für die Mitarbeiter von Siltronic und den Technologiestandort Deutschland ab? Die Taiwaner haben eine Beschäftigungssicherung mit einem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2024 zugesagt. Der Standort Burghausen in Oberbayern soll das Technologie- und Forschungszentrum von Siltronic bleiben. Dass sich 2025 alles ändern könnte, ist unwahrscheinlich. Entscheidend für die Technologie sind nicht nur die Ausrüstung in den Wafer-Fabriken, sondern vor allem die Mitarbeiter mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung. Sie können nicht nach Asien oder anderswohin verlagert werden. Man kann es bedauern, wenn auch der einzige europäische der fünf großen Hersteller in der Branche künftig unter asiatischer Regie steht. Doch der Rückzugsplan von Wacker Chemie ist seit Jahren bekannt, einen Interessenten für Siltronic gab und gibt es hierzulande oder in einem anderen EU-Land nicht.

Welche Folgen hat es für die Kunden, wenn sich das Wafer-Oligopol auf nur vier große Anbieter weiter verkleinert? Wahrscheinlich keine erheblichen. Die Halbleiterindustrie konzentriert sich auf immer weniger große Unternehmen, die somit ihre Marktmacht auch gegenüber Lieferanten ausdehnen. Hinzu kommt, dass der Markt volatil ist und die Preise, die die Wafer-Hersteller mit ihren Kunden überwiegend in längerfristigen Verträgen festlegen, stark von Nachfrage und Angebot abhängen. Das Bundeskartellamt erhebt jedenfalls keine Einwände gegen eine Übernahme von Siltronic: Den Halbleiterproduzenten mit ihren ausgeklügelten Beschaffungsstrategien blieben Alternativen. Sollte die gemeinsame Entwicklung von Global Wafers und Siltronic der Produktqualität einen Extraimpuls geben, könnten davon die Kunden profitieren – auch weil der Wettbewerb um Innovationen in der Wafer-Branche angeheizt werden könnte.

Das Fazit: Auf kurze bis mittlere Sicht zeichnen sich Vorteile für die beiden Unternehmen und deren Kunden ab. Befürchtungen um deutsche Arbeitsplätze sind – zumindest auf absehbare Zeit – unbegründet. Die Siltronic-Aktionäre, die ihre Aktien behalten, können von der Stärke eines gemeinsamen Konzerns profitieren. Ihr Investitionsrisiko bleibt wegen der Volatilität des Geschäfts allerdings hoch.