KommentarFurcht vor Handelskrieg

Von der Leyen in der Defensive

Mit ihrer Rede zur Lage der EU ist Ursula von der Leyen nicht der erhoffte Befreiungsschlag gelungen – trotz und gerade wegen des überraschenden Anti-Dumping-Verfahrens gegen China.

Von der Leyen in der Defensive

EU vs. China

Von der Leyen
in der Defensive

Von Stefan Reccius

Da ist sie wieder: die Furcht vor einem Wiederaufflammen des Handelskriegs mit China. EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen hat den Geist aus der Flasche gelassen, indem sie – zu diesem Zeitpunkt völlig überraschend – ein Anti-Dumping-Verfahren gegen Chinas Elektroautobauer eingeleitet hat. Es ist ihr Versuch, aus der Defensive zu kommen. So wird das nicht gelingen.

Was muss sie nicht alles an Kritik aus der Wirtschaft und den eigenen Reihen einstecken: Bürokratie-Obsession, Subventionitis, Regulierungswahn. Nicht immer ist diese Kritik fair und in ihrer Wucht angemessen. Allerdings wirkt ihre jetzige Reaktion darauf doch eher hilflos bis verzweifelt.

Um das eigentlich besorgniserregende Phänomen der Stunde machte von der Leyen einen Bogen. Längst verlagern Unternehmen Investitionen in die USA. Von der Leyen streifte die Gefahr der Abwanderung ganzer Industrien lediglich mit einem Rückgriff in die Vergangenheit: Der Niedergang der Solarindustrie, ausgelöst durch Chinas Subventionsorgie, dürfe sich nicht wiederholen.

So korrekt ihre Diagnose, so fragwürdig ihre Lösung: Ein Anti-Dumping-Verfahren zu eröffnen ist so, als wollte man einen Motorschaden reparieren, indem man die Reifen wechselt. Es verschlimmbessert das Problem, statt es zu lösen. Werden Europas Autobauer im globalen Wettbewerb bestehen, indem die EU-Kommission den heimischen Markt abschottet? Wohl kaum. Vielmehr besteht das Risiko, dass Peking sich rächt – angesichts des Klumpenrisikos China für die Autoindustrie ein Albtraumszenario.

Hausgemachtes Strukturproblem

Das strukturelle Problem nicht nur der Autoindustrie, sondern vieler weiterer Industriezweige ist dagegen hausgemacht: nicht wettbewerbsfähige Energiepreise. Von der Leyen tat es mit dem Verweis ab, die heftigen Preissprünge vor einem Jahr seien überwunden. Da darf sie sich über Ernüchterung nicht wundern.

Das gilt auch für andere Ankündigungen. Die Rückkehr eines Mittelstandsbeauftragten in die Behörde ist ein Anfang, mehr aber nicht. Bekannte Versprechen eines Wettbewerbschecks für Gesetze und mehr Bürokratieabbau hat sie wiedergekäut, aber nicht konkretisiert. Solche Hinhaltetaktik erzeugt keine Aufbrauchstimmung.

Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis: Das sei wohl von der Leyens Motto, spottet der SPD-Abgeordnete Jens Geier. Mit dem Anti-Dumping-Verfahren gegen China hat sie auf anderen Art dafür gesorgt, dass ihre Rede lange nachwirken wird. Der ersehnte Befreiungsschlag ist ihr damit nicht gelungen.