Von der Subventionitis zur Klimaschutzeritis
Welch Aufschrei wäre noch vor wenigen Jahren durchs Land gegangen, wenn die Bundesregierung eine Verdoppelung ihrer staatlichen Subventionen von 24,6 auf 47,2 Mrd. Euro in nur drei Jahren berichtet und für gut befunden hätte. In diesen Tagen ist die Vorlage des Subventionsberichts, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss, kaum noch eine Schlagzeile wert, geschweige denn eine kritische Würdigung. Das hat natürlich mit jenen noch viel größeren Zahlen zu tun, die seit Ausbruch der Pandemie auf nationalen und europäischen Hilfsprogrammen prangen und die Einstellung fördern, wonach es auf ein paar Milliarden mehr oder weniger – meist natürlich mehr – ja nicht ankomme.
Zwei Drittel fürs Klima
Vorbei die Zeiten, als die Regierungsparteien CDU und SPD die Subventionitis als schwer zu bekämpfendes Virus betrachteten und im sogenannten Koch-Steinbrück-Papier der damaligen Ministerpräsidenten von Hessen und NRW eine jährliche pauschale Kürzung um 4% diskutierten. Das war anno 2003. Seither mutierte die Subventionitis zur Klimaschutzeritis, was sie nicht weniger ansteckend macht, aber offensichtlich als Modeerkrankung akzeptiert ist. Das spiegelt den Stimmungswandel in der Gesellschaft, wonach der Zweck des Klimaschutzes jedes Mittel heilige. Erneuerbare Energien stehen auf Platz 1 der Finanzhilfen. Dies im Kalkül, hat das Bundesfinanzministerium seine Mitteilung über die galoppierenden Subventionen geschickt betitelt mit „Klima- und Umweltziele leiten die zukunftsorientierte Subventionspolitik der Bundesregierung“ und rechnet vor, dass mit gut 16 Mrd. Euro zwei Drittel der Finanzhilfen einen klaren Bezug zu den in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankerten Umwelt- und Klimaschutzzielen aufweisen.
So viel ökologische Selbstbeweihräucherung der Bundesregierung hat selbst die Grünen-Bundestagsfraktion benebelt und sie übersehen lassen, dass für 2022 eine gegenüber 2021 um 37% höhere Subventionierung von Flugbenzin im Inlandsflugverkehr geplant ist. Damit zählt diese Steuervergünstigung immerhin zu den 20 größten im diesjährigen Subventionsbericht, wie dort zu lesen ist – allerdings gut versteckt erst auf Seite 508 von 577 Seiten. Für 2022 wird dort das Volumen der Kerosinsubventionierung allein für Inlandsflüge auf 317 Mill. Euro nach 231 Mill. im laufenden Jahr geschätzt. Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es sogar noch 576 Mill. Euro Steuervergünstigung. Zwar wird eingeräumt, dass es sich um eine umweltschädliche und wettbewerbsverzerrende Subvention handele, zugleich aber darauf verwiesen, dass eine Besteuerung zu einem „Ausweichtankverhalten im Ausland“ und zur Abwanderung auf ausländische Flughäfen führen und somit den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen würde.
Dieses Beispiel führt die generelle Problematik von Subventionen vor Augen, und zwar auch jener Finanzhilfen und Steuervergünstigungen, die auf den ersten Augenschein förderungswürdigen Zielen gelten, was beim Flugbenzin ja einst auch mal der Fall war. Denn Subventionen sind das Werk von Lobbyisten. In der Regel jener, die am lautesten schreien können oder die besten Kontakte in die Politik pflegen – mit welchen Methoden auch immer.
Ein großer Brocken mit 1,6 Mrd. Euro im laufenden und 2,1 Mrd. Euro im nächsten Jahr sind die „Zuschüsse zum Kauf elektrisch betriebener Fahrzeuge“ sowie mit 770 Mill. beziehungsweise 1,68 Mrd. Euro zur Errichtung von Ladeinfrastruktur. Diese Subventionierung hilft weder der Umwelt noch der breiten Mehrheit der Bevölkerung, aber umso mehr der Autoindustrie und den besserverdienenden Käufern eines E-Autos, zumal wenn sie ein Haus für die zu installierende Ladestation besitzen. Subventionen sind also nicht nur selektiv und bevorzugen oder benachteiligen von Staats wegen bestimmte Technologien, sondern oft auch ungerecht mit Blick auf ihre Umverteilungswirkung.
Selbstbetrug mit E-Autos
Da auch Autos mit Hybridantrieb subventioniert werden, ist der Umwelteffekt sogar negativ. Denn in Ermangelung leistungsfähiger Ladeinfrastruktur werden die meist PS-starken, schwereren und deshalb mehr Energie verbrauchenden Hybridautos überwiegend im Verbrennermodus gefahren und pusten deutlich mehr CO2 in die Luft als ein vergleichbares Modell mit Dieselmotor. Dass E-Autos fürs Erreichen der Klimaziele als Nullemissionsfahrzeuge gewertet werden, ist schierer Selbstbetrug, solange der Strom nicht ausschließlich aus erneuerbaren Energien stammt. Doch davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt, von anderen Autofahrernationen wie den USA oder China ganz zu schweigen.
Subventionen konservieren die durch sie geförderten Strukturen. Das kostet Wachstum und Beschäftigung. Jahrzehntelang war hierfür der deutsche Kohlebergbau das Paradebeispiel. Man wollte nicht abhängig sein vom Ausland. Heute werden ähnliche Argumente für die Subventionierung von Chip-Fabriken und die Batteriezellenfertigung bemüht. Subventionsbedingte Wettbewerbsverzerrungen schaden der Effizienz des Wirtschaftens und führen zu Wohlstandsverlusten. Außerdem bewirken sie Abhängigkeiten. Hierfür ist die Flugbenzinsubventionierung ein schönes Beispiel. Obwohl dem Finanzministerium schon vor zwölf Jahren in einem Gutachten zur Abschaffung empfohlen, hat sich bisher keine Bundesregierung dazu durchringen können.
Flugbenzin und Windräder
Die Bundesregierung betont zwar, dass Subventionen nur befristet und übergangsweise gewährt würden. Doch der politische Alltag beweist das Gegenteil. Der staatliche Geldtropf macht süchtig. Es ist ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis: Subventionsempfänger und Besitzer staatlich geförderter Arbeitsplätze sind Wähler. Subventionsmentalität macht sich breit, Strukturwandel wird verschlafen. Das Flugbenzin von morgen werden die Windräder und Solarpanel von heute sein.
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