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Vorbilder sehen anders aus

Siemens schwächelt in China. Die Performance des Konzerns sollte aber nicht verallgemeinert werden.

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Vorbilder sehen anders aus

Von Michael Flämig

Siemens schwächelt in China. Die Performance des Konzerns sollte nicht verallgemeinert werden.

Die Siemens-Familie hat am Donnerstag einen schwarzen Tag erwischt. Die Aktienkurse aller drei Dax-40-Werte notierten im Minus, während sich die übrigen Unternehmen großteils über eine steigende Bewertung freuen konnten. Die rote Laterne übernahm dabei der Mutterkonzern. Was ist los mit dem Vorbild Siemens AG?

Letztlich meldete Siemens eine Trivialität: Die Bäume wachsen doch nicht in den Himmel. Die Dynamik schien nämlich zuletzt grenzenlos zu sein. Der Konzern meldete Quartal für Quartal immer wieder Rekorde. Die Kunden bestellten auf Teufel komm raus, weil sie aufgrund der fehlenden Komponenten mit langen Lieferzeiten rechnen mussten. Diese Zeit ist vorbei, und man darf hinzufügen: Das ist gut so.

Schlecht allerdings ist, dass dieser Zeitpunkt mit einer hauseigenen Fehlkalkulation zusammenfällt. Siemens war in der Prognose davon ausgegangen, dass die Konjunktur in China wieder anspringt. Doch in Fernost bläst der Wind nun eher von vorne. Ist dies ein Menetekel für die gesamte deutsche Industrie, gar für die Weltwirtschaft?

In der aktuellen Doomsday-Stimmung hiesiger Auguren und auch Vorstandschefs findet derlei Interpretation reichlich Nährboden. Aber gemach. Klar, die Lage in China ist ungemütlich. Aber in den Zahlen von Siemens sind Besonderheiten verborgen, die eine Verallgemeinerung wenig ratsam erscheinen lassen. Siemens ist glücklicherweise in dieser Hinsicht kein Vorbild.

Erstens trifft eine konjunkturelle Abkühlung immer erst einmal kurzfristig abzuwickelnde Siemens-Geschäfte. Weil diese hochprofitabel sind, ist die Folge im Zahlenwerk besonders gravierend. Zweitens vertreibt Siemens die Produkte in China über so viele Distributoren, dass das Abfließen von Vorräten, die sich in diesen Vertriebsleitungen angestaut haben, schon mal ein paar Quartale dauern kann. So wird die Konjunkturabschwächung multipliziert. Drittens laufen andere Weltregionen, wie beispielsweise die USA, auch bei Siemens sehr gut. Viertens ist es nur eine Frage der Zeit, dass Peking eingreift. Die Regierung kann mittelfristig weder die Konsumverweigerung der Privatbürger noch – angesichts der US-Sanktionen – eine Stagnation der Hightech-Fertigung hinnehmen.

Für Siemens ist die Zeit von Prognoseerhöhungen im Quartalstakt vorbei. Dass man an der Jahresprognose rumgeschraubt hat, bis man sie als unverändert bezeichnen konnte, ist unglücklich. Auch damit ist Siemens kein Vorbild. Die Energy-Beteiligung taucht operativ im Siemens-Zahlenwerk auf, daher sollte man sie nicht unterjährig ausklammern, nur weil es schlecht läuft. Investoren sind reif genug, auch die Senkung von Zielen zu verstehen.

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