Vorsicht vor Interventionismus
Telefónica
Vorsicht vor Interventionismus
Von Thilo Schäfer
Spanien ist nicht das einzige Land, wo der Staat bei privaten, börsennotierten Konzernen mitmischt. In Deutschland, Frankreich oder Italien liegt der Staatsanteil an den heimischen Telekomkonzernen sogar höher als die 10%, welche die spanische Industrieholding Sepi im letzten Jahr an Telefónica erwarb. Doch der Rauswurf des Konzernchefs José María Álvarez-Pallete hinterlässt einen faden Beigeschmack, was der Kurssturz der Aktie am Montag unterstrich. Der Nachfolger Marc Murtra hat beim staatlich kontrollierten Verteidigungskonzern Indra überzeugt. Er steht jedoch den Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez nahe. Außerdem wirkt die überstürzte Art des Personalwechsels, mit einer eiligst einberufenen außergewöhnlichen Sitzung des Aufsichtsrats am Wochenende, verdächtig.
Es mag durchaus nachvollziehbare Gründe dafür geben, Álvarez-Pallete nach neun Jahren an der Spitze angesichts des lahmenden Aktienkurses abzulösen. Die Opposition wittert hinter der von Sánchez betriebenen Personalie indes politische Motive. Allerdings könnte sie dabei auch vor der eigenen Tür kehren. Denn unter dem konservativen Ministerpräsident José María Aznar wurde Telefónica Anfang des Jahrhunderts zum politischen Spielball. Der Aufbau eines Medienimperiums kam den Konzern teuer zu stehen.
Den Vorwurf des Interventionismus wird sich die Linksregierung jedoch gefallen lassen müssen. Zuletzt blockierte man die Übernahme des Eisenbahnbauers Talgo durch ein ungarisches Konsortium aus Sorge vor der Weitergabe von technologischem Wissen an russische Hintermänner. Der Erwerb der Telefónica-Aktien durch den Staat wurde als Abwehrreaktion auf den Einstieg der saudi-arabischen STC gerechtfertigt. „Unsere Grenze für Investitionen aus dem Ausland ist der Schutz unserer legitimen nationalen Interessen“, versicherte Sánchez. Aber zum Schutz gegen ungewünschte Investoren muss man nicht unbedingt den Vorsitzenden in einer Nacht- und Nebelaktion auswechseln. Der neue Telefónica-Chef Murtra muss beweisen, dass er tatsächlich nationale Interessen verfolgt und nicht die des Regierungschefs.