Im Blickfeld:Immobilien

Vorsichtige Investoren und mutige Entwickler

Viele Projektentwicklungen liegen am Boden. Andere stehen kurz vorm Start. Das Segment des Immobilienmarktes hat viele Facetten. Das zeigt auch die Quartiersentwicklung rund um das alte Polizeipräsidium in Frankfurt.

Vorsichtige Investoren und mutige Entwickler

Vorsichtige Investoren und mutige Entwickler

Viele Projektentwicklungen liegen am Boden. Andere stehen kurz vorm Start. Das Segment des Immobilienmarktes hat viele Facetten.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Lange Zeit war unklar, was mit den Gebäuden passieren sollte. Nach dem Auszug des Frankfurter Polizeipräsidiums 2002 standen die Häuser leer. 2018 wurde das 1,5 Hektar große Gelände an das Bauunternehmen Gerch verkauft. In diesem Jahr sollen die Arbeiten losgehen, der Projektentwickler baut ein Quartier mit rund 100.000 Quadratmetern Geschossfläche, verteilt auf mehrere Objekte, einschließlich eines 185-Meter-Turms. Ein gewaltiges Vorhaben, das in rund fünf Jahren fertig sein soll, Kosten mehr als 1 Mrd. Euro.

Düsterdick bleibt gelassen

Während am Markt der Projektentwicklungen von Schockstarre die Rede ist, Baubeginne oder die Vorhaben verschoben werden, bleibt Gerchgroup-CEO Mathias Düsterdick gelassen. „Es ist immer schon so gewesen, dass es bei großen Projektentwicklungen über mehrere Jahre und damit über Immobilienzyklen hinweg schwierig ist, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Es gibt immer Risiken, wenn zum Beispiel der Generalunternehmer pleitegeht.“ Oder das Risiko, keinen Bauträger zu finden für die auf dem Areal geplanten Eigentumswohnungen. Ein Risiko sei auch die Vermietung der Flächen. „Das sind aber Themen, die man bei jeder Projektentwicklung hat“, so der Entwickler.

Selbst dass Gerch noch kein Hochhaus angepackt hat, sorgt Düsterdick nicht. „Wir bauen ja das Hochhaus nicht. Da beauftragen wir Bauunternehmen und wir gehen davon aus, dass die in der Lage sind, ein Hochhaus zu bauen.“ Das Volumen an sich sei nicht ungewöhnlich. „Eine Milliarde Euro ist keine Summe, die uns schreckt. Und aus Projektsicht ist es letztlich egal, ob sie fünf oder 50 Stockwerke bauen.“

Der langjährige UBS-Immobilienmanager Tilman Hickl hält ein solches Volumen ebenfalls für unproblematisch. „Das Schwierige ist bei diesen Summen heutzutage, Eigenkapital von Investoren zu finden. Die Zeiten, in denen einzelne Investoren eine solche Summe aufgebracht haben, sind vorbei“, sagt Hickl, der heute bei H2i Assetmanagement arbeitet.

Blick in die Zukunft

Bei so großen Projekten wie dem Präsidium in Frankfurt kommen institutionelle Investoren als Käufer infrage. „Aber momentan lässt sich nicht sagen, wie der Investmentmarkt in fünf Jahren aussieht. Angesichts der aktuell schwierigen Marktlage gibt es keine Anfragen. Wenn Zinsanstieg und Ukraine-Krieg nicht gekommen wären, hätte das anders sein können“, stellt Düsterdick fest. Wenn die Bodenplatte steht, könne man sich Gedanken über die Vermarktung machen. Noch sei das viel zu früh. Büromieter machen heute noch keine Pläne, was sie in fünf Jahren mieten wollen.

Anleger zögern derzeit, in Projektentwicklungen einzusteigen. Seit einem Jahr ist das Geschäft für Projektentwickler deutlich schwieriger. „Die Investoren sind sehr zurückhaltend, weil niemand weiß, wie sich die Zinsen und damit die Verkaufspreise sowie die Renditen entwickeln. Das bereitet allen Projektentwicklern Bauchschmerzen“, sagt auch Düsterdick.

Einer der großen Investoren ist Henning Koch, CEO von Commerz Real. Er drückt sich vorsichtig aus: “Projektentwicklung sehen wir mittelfristig eher im Bestand statt im Neubau. Dies aus zwei Gründen: Erstens haben sich die Nutzergewohnheiten in den letzten Jahren in einigen Segmenten stark verändert – Stichworte: Homeoffice oder Online-Handel –, was es erforderlich macht, für die entsprechenden Immobilien neue Nutzungskonzepte zu entwickeln und baulich umzusetzen.“ Und zweitens gehe es darum, Nachhaltigkeit im Bestand umzusetzen. Darüber hinaus hat Koch beobachtet, „dass die Pipeline an Projektentwicklungen im Core-Bereich – Top-Lage, ESG-Prime-Standard – zunehmend austrocknet. Diese Verknappung wird zu einem Anstieg der Mietpreise führen”.

Das wiederum hört der Gerch-Chef vermutlich gerne, denn genau in diese Lücke will er mit dem Großprojekt stoßen. Dass derzeit der Transaktionsmarkt am Boden liegt, stört ihn nicht. „Wir müssen heute keine Transaktion machen. Projekte sind eine Wette in die Zukunft und darauf, wie der Transaktionsmarkt in ein paar Jahren steht. Das wird getrieben von den Zinsen.“ Aus Sicht von Düsterdick könne mit einem Zinssatz von 2,5% jeder leben. „Dann bekommen wir auch gute Faktoren im Exit. Bei hochwertigen Produkten wie in Frankfurt wären rund 3% eine vernünftige Verzinsung.“

Auch das Thema ESG ist eine Wette auf die Zukunft. In Frankfurt steigen momentan die Büromieten für ESG-konforme Neubaubüros in enorme Höhen, hat der Gerch-Chef beobachtet. Damit kann er in seiner Kalkulation ohne Zweifel vorhandene belastende Faktoren kompensieren. Noch allerdings steht kein Stein des neu gebauten Quartiers. Erst einmal müssen ganze Areale abgetragen werden – bis auf das unter Denkmalschutz stehende Polizeipräsidium.

Ohne ESG geht nichts

Dass sich künftig im Neubau wohl nur noch nachhaltige Gebäude zu vernünftigen Preisen verkaufen lassen, ist im Markt Konsens. Und die höchsten ESG-Standards lassen sich im Neubau am besten umsetzen. Darauf setzt auch Gerch mit der Projektentwicklung mitten in Frankfurt, zwischen Hauptbahnhof und Messe. „Fraglich ist, ob künftig ein Investor ein Nicht-ESG-konformes Gebäude für eine höhere Rendite überhaupt kaufen wird. Ich denke, dass sich nur noch nachhaltige Immobilien auf Dauer gut verkaufen lassen“, sagt Düsterdick und glaubt, dass man in Frankfurt eines der wenigen ESG-konformen Großprojekte habe, das in fünf Jahren an den Markt kommt. Bei ESG spielen zusätzliche Kosten für die Projektentwicklung nicht die entscheidende Rolle. „Das Aufwändige an ESG sind nicht die Mehrkosten, sondern die Dokumentation. Damit muss man schon in der Planungsphase anfangen. Wenn man erst mit Baubeginn damit anfängt, dann hat man eigentlich schon verloren.“

Für Investor Koch ist das Thema ESG dennoch ein Argument, nach Entwicklungen im Bestand und im Bereich Wohnen Ausschau zu halten. „Wir werden die gesellschaftliche Aufgabe der Versorgung mit preiswertem Wohnraum nicht stemmen können, wenn wir nicht Gewerbeimmobilien, die nicht mehr benötigt werden, weil sie keine Mieter mehr finden, in Wohngebäude umwandeln. Wenn das dann noch mit einer ESG-Ertüchtigung verbunden wird, umso besser.“ Das sei durchaus etwas, was man sich für die Commerz Real vorstellen könne.

Verschiedene Welt

Der Job von Tilman Hickl ist es, Projektentwickler und Investoren zusammenzubringen. „Sie sprechen oft nicht dieselbe Sprache. Es gibt unter den Entwicklern Spielernaturen, während Investoren eher vorsichtig sind. Es kann sogar kontraproduktiv sein, wenn die Investoren direkt mit dem Entwickler sprechen. Da prallen manchmal Welten aufeinander.“ Die meisten Projektentwickler seien inhabergeführt, während Investoren meistens Manager eines Unternehmens mit einem Aufsichtsrat sind. „Schon das kann zu unterschiedlichen Vorstellungen führen.“

Es ist ein gutes Zeichen, dass das Areal in Frankfurt nach 20 Jahren Leerstand und zwei gescheiterten Verkäufen nun einen Eigentümer hat, der in diesem Jahr loslegen will. Es zeigt, wie komplex das Thema ist. Wie schwierig der Markt ist, hatte auch der Immobilienspitzenverband ZIA in seiner Sommerumfrage festgestellt. Demnach zeigten sich bei den Projektentwicklern Alarmzeichen. Angesichts vieler unterschiedlicher Teilmärkte sollte man aber keine einfachen Schlüsse ziehen.

Milliardenprojekt in Frankfurt: Rund um das alte Polizeipräsidium entsteht ein modernes Quartier. Gebaut werden auf 1,5 Hektar mehrere ESG-konforme Gebäude mit Büros, Wohnungen und Geschäften.

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