Notiert inBrüssel

Waghalsige Greenpeace-Proteste gegen Mercosur-Deal und DWS

Europäische Zentralbank, Mercosur-Abkommen. DWS: Greenpeace-Aktivisten sorgen immer wieder mit waghalsigen Manövern für Aufmerksamkeit.

Waghalsige Greenpeace-Proteste gegen Mercosur-Deal und DWS

Notiert in Brüssel

Waghalsige Greenpeace-Proteste

Von Stefan Reccius

Immer wieder sorgen Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace mit waghalsigen Protestaktionen für Aufsehen. Neulich demonstrierten einige im Brüsseler Europaviertel auf spektakuläre Weise ihre Entschlossenheit im Kampf gegen das verhasste Mercosur-Freihandelsabkommen: Mit Leitern war eine Handvoll behelmter Blaumänner in den Morgenstunden an der verglasten Außenfassade des Ratsgebäudes bis auf das achte Stockwerk geklettert. In aller Seelenruhe brachten sie dort Banner mit schwarzen Großbuchstaben auf gelbem Grund an: „Stop Mercosur“.

Die besten Plätze, um das Spektakel zu verfolgen, hatten Beamte der EU-Kommission. Denn das Berlaymont-Gebäude befindet sich direkt gegenüber vom Schauplatz, dem Sitz der EU-Staaten auf der anderen Straßenseite. Die Botschaft von Greenpeace war also in erster Linie an EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen gerichtet.

Die Deutsche hat das freilich nicht davon abgehalten, in dieser Woche ihre Reise durch Südamerika nachzuholen und vor Ort eindringlich für das Mercosur-Abkommen zu werben. Sie wolle das Abkommen bis spätestens Ende dieses Jahres abschließen. Von der Leyen hatte ihren ersten Anlauf im Frühjahr nolens volens abgesagt, weil Brasiliens frisch gewählter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva lieber Chinas Präsident Xi Jinping seine Aufwartung machte. Ein Signal, wo die Prioritäten des Brasilianers liegen.

Lula hat sich im Wahlkampf eigentlich dafür starkgemacht, das Mercosur-Abkommen abzuschließen. Doch er hat offensichtlich weiterhin Vorbehalte. Jedenfalls ließ er von der Leyen abblitzen: Voraussetzung für die strategische Partnerschaft sollte doch gegenseitiges Vertrauen sein, nicht Misstrauen oder Sanktionen, gab Lula seinem Gast aus Brüssel mit auf die Weiterreise.

Die Brasilianer sind nicht einverstanden mit der aus Brüssel nachträglich geforderten Zusatzerklärung zur Nachhaltigkeit. Umfassende Nachverhandlungen stehen im Raum. Eine Reihe von EU-Staaten wollen das wie von der Leyen verhindern, auch Deutschland dringt auf einen zügigen Abschluss. Notorische Mercosur-Skeptiker wie Frankreich und Österreich scheinen hingegen nicht zu Zugeständnissen bereit – wohl aus Sorge, dass günstiges Rindfleisch und Agrarprodukte aus Südamerika künftig den europäischen Markt überschwemmen.

Gegen Mercosur und DWS

Den Durchbruch soll ein Mitte Juli geplanter EU-Südamerika-Gipfel in Brüssel bringen. Ansonsten würden die Bemühungen, das Abkommen nach mehr als 20 Jahren endlich zu ratifizieren und somit ins Ziel zu bringen, mutmaßlich auf unabsehbare Zeit zurückgeworfen – zum Leidwesen von Wirtschaftsverbänden, zur Freude von Greenpeace.

Die Aktivisten machen auch das Frankfurter Bankenviertel immer wieder unsicher. Am Mittwoch stiegen Aktivisten der Deutschen Bank aufs (Vor-)Dach, um gegen die Deutsche-Bank-Tochter DWS zu protestieren. Sie entrollten dort ein rund 100 Quadratmeter großes Banner mit der Aufschrift „DWS verpflichten, Klima schützen!“ Greenpeace hat die DWS wegen Greenwashing-Vorwürfen auf dem Kieker.

Auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB) kennt man sich mit Greenpeace-Protesten aus: Vor zwei Jahren landeten zwei Gleitschirmflieger im Morgengrauen auf dem Dach der EZB-Zentrale, um eine grüne Geldpolitik einzufordern. Die Muster ähneln sich: Die beiden Aktivisten entrollten hoch oben ein gelbes Banner mit der Aufschrift „Stop funding climate killers“. Sie sind inzwischen wegen Hausfriedensbruchs zu Geldstrafen verurteilt worden.

Abgeschreckt hat das Greenpeace offenbar nicht. Es blieb jedenfalls nicht der letzte Protest dieser Art, wie sich nun in Brüssel und Frankfurt zeigt. Es sollte niemanden überraschen, wenn es aus den Reihen der Umweltschützer aus Anlass des Mercosur-Gipfels im Hochsommer zu weiteren waghalsigen Protestmanövern kommt.

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