LEITARTIKEL

Wahre Werte

Es ist die Aufgabe börsennotierter Unternehmen, den Shareholder Value zu steigern. Wenn dem so ist, dann drängt sich allerdings die Frage auf, wieso viele Unternehmen ihren Begriff vom Shareholder Value immer noch so furchtbar engstirnig definieren....

Wahre Werte

Es ist die Aufgabe börsennotierter Unternehmen, den Shareholder Value zu steigern. Wenn dem so ist, dann drängt sich allerdings die Frage auf, wieso viele Unternehmen ihren Begriff vom Shareholder Value immer noch so furchtbar engstirnig definieren. Als gäbe es für Aktionäre nur einen Wert im Leben: Geld.Wer Shareholder Value, also Werte für Aktionäre, liefern soll, der muss sich zuerst fragen, welche Werte die Aktionäre denn wollen. Werte ändern sich, und es soll mittlerweile eine nennenswerte Zahl von Menschen geben, die es nicht mehr wünschen, dass Unternehmen, in die sie investieren, allein monetäre Ziele verfolgen und dafür zur Not auch mal ein paar Menschenrechte missachten, ein bisschen die Umwelt verschmutzen und ein wenig bestechen, solange es zweckdienlich ist und das Ergebnis unterm Strich mehrt.Es kann auf Dauer keinem CEO entgehen, dass man in Finanzzeitungen, die sich an eine extrem hochkarätige Leserschaft richten, immer häufiger Anzeigen sieht wie jene der Investmentbank UBS, die sozialromantischer Tendenzen völlig unverdächtig ist. Dort grübelt ein Anleger über die Frage: Reflektiert mein Portfolio meine Werte? Wie passt dazu, dass Unternehmen in ihren Fünfjahresplänen vor allem monetäre Ziele in den Vordergrund stellen? Wieso ignorieren sie, dass High Net Worth Individuals gemäß der Maslow’schen Bedürfnispyramide mit ihrem Investment nicht mehr nur gutes Geld verdienen, sondern auch ein gutes Gewissen haben wollen, weil der Grenznutzen einer weiteren Million für sie gegen null tendiert?Es ist nicht Aufgabe von CEOs, einen offensichtlichen Wertewandel von Aktionären moralisch zu beurteilen. Ihre Pflicht ist es, sich ganz kühl und ökonomisch die Frage zu stellen, ob sie nicht munter an den Wünschen aktueller und vor allem künftiger Aktionäre vorbeiwirtschaften, solange sie in erster Linie die Werte im Blick haben, die Kuponschneidern von gestern wichtig waren. Spätestens wenn die ersten Anleger Papiere aus ihrem Portfolio aussortieren, weil sie zwar mit Kursentwicklung und Dividende zufrieden sind, nicht aber mit dem ethischen Gebaren des Unternehmens, dann muss sich ein CEO fragen, ob er bei der gebotenen Wertemaximierung für die Anleger noch auf dem richtigen Weg ist.Geld allein taugt nicht als Wertmaßstab, nicht in mikroökonomischer Hinsicht und schon gar nicht in makroökonomischer. Das Bruttoinlandsprodukt ist mit seiner monodimensionalen Messgröße deshalb nur sehr eingeschränkt als Maß für den Wohlstand einer reifen Volkswirtschaft tauglich. Das liegt nicht nur daran, dass absurderweise Umweltschäden das Bruttoinlandsprodukt und somit unseren Wohlstand so lange zu mehren scheinen, wie es Unternehmen gibt, die Umweltsünden für Geld wieder beseitigen und dafür Rechnungen ausstellen. Und nur weil man etwas bisher nicht bewertet hat, heißt das nicht, dass es wertlos ist. Die Bestäubungsleistung von Bienen wird sichtbar, sobald an ihrer Stelle Menschen oder Roboter die Arbeit übernehmen müssen. Nicht jeder Topmanager muss beim Ringen um wahre Werte für Aktionäre so weit gehen wie der scheidende Unilever-CEO Paul Polman, der im September auf einer Konferenz in San Francisco sagte: “In meiner Freizeit bin ich zufällig der CEO von Unilever, und in meinem Vollzeitjob versuche ich, eine etwas andere Form des Kapitalismus zu schaffen.” Doch offensichtlich ist: Ein Kapitalismus, der sich nur auf die Maximierung von Geldwerten fixiert, ist genauso dem Untergang geweiht wie planwirtschaftliche Systeme, die ihre Leistung bloß in Tonnen produzierter Güter bewerten und zugleich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen vorbeiproduzieren.—–Von Daniel SchauberUnternehmen, die sich ausschließlich auf monetäre Ziele konzentrieren, werden untergehen. Sie wirtschaften am Bedarf der Aktionäre vorbei. —–