LeitartikelUnternehmenssteuerung

Was der Fall Benko zeigt

Der Niedergang von René Benko macht deutlich, wie gefährlich es für Unternehmer ist, Transparenz und Kontrolle zu verweigern. Sie schaden sich damit selbst.

Was der Fall Benko zeigt

Benko & Co.

Die über Wasser gehen

Der Fall Benko zeigt, wie gefährlich es für Unternehmer ist, Transparenz und Kontrolle zu verweigern. Sie schaden sich damit selbst.

Von Helmut Kipp

Der Fall des Immobilien- und Handelsunternehmers René Benko entwickelt sich zu einer der spektakulärsten Schieflagen in Europa. In den großen Innenstädten ist der Österreicher mit Kaufhäusern und Bauprojekten prominent vertreten. Seine Signa beziffert den Bruttovermögenswert ihrer Immobilien auf 27 Mrd. Euro. Hinzu kommen die Kaufhauskette Galeria, das KaDeWe, die Beteiligungen an der Schweizer Globus-Kette und milliardenschwere Entwicklungsprojekte, die allerdings im Wesentlichen nur als Plan existieren. Noch weiß man nicht, wie tief die Finanzlöcher sind, die gestopft werden müssen. Die Erfahrung lehrt, dass in solchen Fällen meist mehr im Argen liegt als anfangs vermutet. Derzeit ist die Rede davon, dass allein Signa Prime Selection, die wichtigste Immobiliengesellschaft der Gruppe, bei Investoren um bis zu 2 Mrd. Euro frische Mittel wirbt.

Extrem verschachtelt

Geführt hat Benko sein Reich nach dem Motto „Teile und herrsche“. Seine Signa gilt als extrem verschachtelt. Es gibt keinen Konzernabschluss, der einen Gesamtüberblick geben würde. Die Steuerberatungskanzlei TPA wurde eigens zurate gezogen, wie sich eine Konsolidierung der Gesamtgruppe vermeiden lässt. Außenstehende können das Firmengestrüpp kaum durchschauen. Vermutlich war Benko der Einzige, der halbwegs Durchblick hatte. Bei ihm liefen die Fäden zusammen, obwohl er schon lange keine operative Funktion mehr hatte. Der Wunderwuzzi – ein Spitzname, der neben Bewunderung auch eine Portion Skepsis ausdrückt – steuerte sein Reich bis vor kurzem über den Beiratsvorsitz.

Elbtower-Baustelle in Hamburg: Der Wolkenkratzer soll das dritthöchste Hochhaus Deutschlands werden. Derzeit steht das Projekt der Signa-Gruppe wegen Zahlungsschwierigkeiten still. Foto: picture alliance/dpa | Markus Scholz

Aufstieg und Niedergang des Tausendsassas haben viel zu tun mit typischen Eigenschaften von Selfmade-Unternehmern. Sie zeichnet ein exzellentes Gespür für renditeträchtige Geschäfte, hohe Risikobereitschaft und enormer Arbeitseinsatz aus. Sie treffen Entscheidungen aus dem Bauch heraus und wägen nicht lange ab. Das sorgt für Geschwindigkeit in der Umsetzung. Oft handelt es sich um charismatische Typen. Mit Charme und Überzeugungskraft gewinnen sie Geldgeber. Benko schaffte es, Wirtschaftsgrößen wie Beraterlegende Roland Berger, den Baumagnaten Hans Peter Haselsteiner, den Milliardär und Transportunternehmer Klaus-Michael Kühne und die Peugeot-Familie auf seine Seite zu ziehen. Der langjährige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking war ebenfalls dabei, stieg aber beizeiten aus, nach seinen Angaben weil Zahlen divergierten. Auch Versicherungen und Fondsgesellschaften sind investiert, sogar die für die Ewigkeitslasten des deutschen Bergbaus zuständige RAG-Stiftung.

Kirch, Jahn und Schneider

Aber die Aufsteiger scheuen sich, Macht zu teilen. Sie wollen sich nicht reinreden lassen, sondern alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen. Das rächt sich, wenn Dinge schieflaufen oder eine Krise heraufzieht. Es gibt zahlreiche Beispiele für vermeintliche Erfolgsunternehmer, die letztlich an eigenen Fehlern gescheitert sind. Der Medienmogul Leo Kirch ging 2002 pleite, weil ihm die Schulden über den Kopf wuchsen. Das Fernsehinterview, in dem der damalige Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Rolf-Ernst Breuer auf die mangelnde Kreditwürdigkeit hinwies, brachte das Fass nur zum Überlaufen. Zwei Jahrzehnte früher sorgte Friedrich Jahn für Aufsehen, als seine Wienerwald-Lokale nach wilder Expansion unter den Schulden zusammenbrachen. Die größte Immobilienpleite in Deutschland hat bis dato der Baulöwe Jürgen Schneider hingelegt, der sich mit der aufwendigen Sanierung historischer Gebäude einen Namen machte, aber im Immobilienboom nach der Wende das Rad überdrehte und schließlich wegen Betrugs und Urkundenfälschung im Gefängnis landete. Ob auch Benko sich für sein Geschäftsmodell, das auf aggressiven Bewertungen aufbaut, juristisch verantworten muss, wird man sehen.

Versäumnisse in Sachen Governance

All diese Fälle verbindet mangelnde Transparenz und Kontrolle. Es fehlen angemessene Leitungs-, Steuerungs- und Aufsichtsstrukturen, die betriebswirtschaftliche Solidität einfordern. Viele Vollblutunternehmer interessieren sich für Wachstum und Kunden, weniger für gute Unternehmensführung. Sie versäumen es, beizeiten eine effiziente Corporate Governance zu etablieren – und schaden sich damit selbst. Leistungsstarke Kontrollinstanzen kosten zwar, tragen aber dazu bei, dauerhaften Unternehmenserfolg zu sichern.

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