LeitartikelSchuldenbremse

Was wirklich generationengerecht wäre

Befürworter nennen die Schuldenbremse gerne „generationengerecht“. Eine selbstgerechte Sichtweise. Denn sie manifestiert generationenungerechte Budgetierungen, wie ein Blick in den Haushalt zeigt.

Was wirklich generationengerecht wäre

Schuldenbremse

Was wirklich generationengerecht wäre

Von Sebastian Schmid

Befürworter nennen die Schuldenbremse gerne „generationengerecht“. Eine selbstgerechte Sichtweise. Denn sie manifestiert generationenungerechte Budgetierungen.

Bei Vertretern der gescheiterten Ampel-Regierung klang es stets so, als ob Deutschland kräftig in die eigene Zukunft investiert. Bezogen auf den Haushalt 2024 war etwa von rekordhohen Investitionen die Rede. Tatsächlich zeugte der Haushalt vor allem davon, wer keine Abstriche machen durfte: die Rentnergeneration. Mit 116 Mrd. Euro wurde die Rentenversicherung 2024 aus Steuergeld bezuschusst. Und da sind die Beamtenpensionen noch gar nicht eingerechnet, die sich in den vergangenen 20 Jahren auf 85 Mrd. Euro gut verdoppelt haben. Demgegenüber stehen etwa 1,25 Mrd. Euro, mit denen die Digitalisierung von Schulen unterstützt wurde. Oder auch 360 Mill. Euro für den Ausbau und Erhalt der Fahrradwege.

Kaum Inspiration bei Investitionsvorhaben

Auch an anderer Stelle lasen sich die Investitionsvorhaben reichlich uninspiriert. 7,5 Mrd. Euro gingen in die „Erhaltung der Schienenwege“, knapp 13 Mrd. Euro waren für „Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb von Autobahnen und Bundesstraßen“ vorgesehen. Unglaublich, aber wahr: Im Bundeshaushalt werden Ausgaben für die Instandhaltung bestehender Infrastruktur als Investition gerechnet. Sieht man davon ab, bleibt an echten Investitionen fast nichts mehr übrig. Da verwundert es nicht, dass die Verkehrsinfrastruktur verglichen mit Nachbarländern wie Frankreich oder den Niederlanden veraltet wirkt.

Höhere Ausgaben auf Pump seien nicht gerecht gegenüber künftigen Generationen, argumentieren Anhänger der Schuldenbremse. Dabei schreibt jede neue Regierung munter Jahr für Jahr nonchalant auf dem Deckel jüngerer Generationen für Rentner und Pensionäre den nächsten großen Schluck aus der Pulle an. Die Argumentation, warum es anders nicht geht, ist immer dieselbe. Schließlich hätten die heutigen Rentner ihr Leben lang einbezahlt. Nun, das blüht deren Kindern und Kindeskindern auch – nur mit Aussicht auf noch geringere Auszahlungen.

Die finanziellen Mittel fehlen

Die finanziellen Mittel für eine Modernisierung der Infrastruktur, eine verteidigungsfähige Bundeswehr und international wettbewerbsfähige Bildungseinrichtungen fehlen derweil. Wenn es für diese Aufgaben einer Lockerung der Schuldenbremse bedarf, sind dafür die strukturell unterfinanzierte Rentenversicherung und der gedankenlose Ausbau des Beamtenapparats ursächlich. Denn hier wurden Schecks auf die Zukunft ausgestellt, die sich als nicht gedeckt erweisen.

Der Versuch der Ampel, in die kapitalgedeckte Altersvorsorge einzusteigen, war zumindest für die Rentenversicherung ein Anfang. Aber er war zu zaghaft – und kam zu spät. Die Gelegenheit für den Einstieg hatte die Vorgängerregierung unter Kanzlerin Angela Merkel, die sich zu Negativzinsen Geld hätte leihen können, um einen Kapitalstock für die Aktienrente aufzubauen. An die Beamtenpensionen hat sich derweil keine Regierung auch nur herangetraut.

Vergabevorschriften bremsen

Würde ein Lösen der Schuldenbremse nun dafür sorgen, dass lange vernachlässigte Investitionen getätigt, Schulen und staatliche Behörden digitalisiert, Infrastruktur modernisiert und endlich der Kapitalstock für die Rente aufgebaut wird? Womöglich nicht. Die Vorschriften bei der Vergabe staatlicher Aufträge machen deren Umsetzung oft extrem teuer und langsam. Traurige Beispiele wie Stuttgart 21 gibt es zuhauf. Zudem braucht der Staat oft sehr lange, bis verfügbare Mittel überhaupt abgerufen werden.

Erfolgversprechender sind staatliche Töpfe, die private Investoren anzapfen können. Das Abrufen müsste unkompliziert und die Beantragung unbürokratisch sein. Ein gutes Beispiel ist der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA. Auf dessen Basis wurden Vorhaben in dreistelliger Milliardenhöhe angeschoben. Und doch gilt das Programm nur als mäßig erfolgreich. Weil die Vergabe meist umständlich über kommunale und regionale Behörden erfolgen muss. Es ginge also noch besser. Das war schließlich einmal der Anspruch hierzulande: Es nicht nur genauso gut zu machen wie anderswo, sondern besser. Diesen Anspruch sollte die neue Regierung wiederentdecken. Das wäre wirklich generationengerecht.

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