KommentarRekordverdächtige Rückkäufe

Washingtons Kampagne gegen Aktienrückkäufe ist fehlgeleitet

Die Kritik vieler Washingtoner Politiker an den großvolumigen Aktienrückkäufen der US-Unternehmen ist fehlgeleitet. Durch Buyback-feindliche Maßnahmen verlören die Konzerne viel Flexibilität und die Aktienmärkte einen entscheidenden Kurstreiber.

Washingtons Kampagne gegen Aktienrückkäufe ist fehlgeleitet

Aktienrückkäufe

Fehlgeleitete Kampagne

Von Alex Wehnert

Die Kampagne von US-Präsident Joe Biden gegen Aktienrückkäufe ist in mehrfacher Hinsicht fehlgeleitet. Einerseits ist die seit Januar fällige Buyback-Steuer von 1% des Verkehrswerts der betroffenen Papiere offensichtlich weitgehend wirkungslos. Dies legt zumindest das ungebrochen rekordverdächtige Tempo nahe, mit dem die Gesellschaften im Russell 3000 im laufenden Jahr Aktien zurückkaufen.

Andererseits hätte Bidens erstmals im Februar diskutierter Vorschlag, die Steuer kurz nach Einführung gleich mal zu vervierfachen, wohl eine vollkommen andere Wirkung als beabsichtigt. Der Präsident zielt darauf ab, Investitionen in langfristige Wachstumsprojekte für Unternehmen attraktiver zu machen als Ausgaben für Aktienrückkäufe.

Doch bei den Unternehmen, die überproportional stark am Boom des Rückkaufvolumens beteiligt sind, handelt es sich vor allem um große Software- und Internetkonzerne. Und diese investieren trotz allgemeiner Liquiditätsknappheit weiterhin stark in Wachstumsfeldern, wie die Schlacht zwischen Microsoft und Alphabet um die Vorherrschaft bei künstlicher Intelligenz eindrucksvoll aufzeigt. Kritiker, die auf eine vermeintliche Diskrepanz zwischen Ausgaben für Buybacks und Massenentlassungen im Technologiesektor hinweisen, verkennen, dass die Konzerne ihre Belegschaften während der Corona-Pandemie kurzfristig massiv aufgebläht haben.

Die Rechnung, dass Unternehmen die für Rückkäufe vorgesehenen Mittel bei einer höheren Besteuerung stattdessen in Wachstumsprojekte stecken, geht ohnehin nur in Teilen auf. Denn um ihre Attraktivität am Kapitalmarkt zu erhöhen, müssen sie in der einen oder anderen Form weiter Cash an die Aktionäre zurückführen. Dies bedeutet, dass im Zweifel mehr Dividenden fließen dürften. Dies würde den Konzernen im Vergleich zum Status quo jedoch viel Flexibilität rauben. Schließlich lassen sich Pausen bei Rückkaufprogrammen in schwierigen Marktphasen wesentlich schmerzfreier an die Investoren vermitteln als eine Kürzung der Dividende.

Und nicht zuletzt gilt: Rückkäufe sind in den USA eine entscheidende Komponente des Total Shareholder Return. Die US-Börsen würden ohne Buybacks, die für eine höhere Nachfrage nach Wertpapieren und eine Reduktion der Zahl umlaufender Aktien sorgen, im laufenden Jahr wesentlich schlechter dastehen. Denn die Investoren sind angesichts hoher Zinsen, Bankenkollaps und Schuldenlimit-Streit in Washington zu Recht nervös. Zusätzliche Unruhe durch fehlgeleitete politische Kampagnen braucht es da nicht auch noch.

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