Notiert inNew York

Wenn dem Fitnessstudio die Kraft fehlt

Die US-Fitnessstudio-Kette Blink stellt die günstige Alternative zur Luxusmutter Equinox dar – doch die Folgen der Corona-Pandemie treiben das Unternehmen nun in die Insolvenz. New Yorker Pumper hoffen jetzt auf einen Neuanfang.

Wenn dem Fitnessstudio die Kraft fehlt

Notiert in New York

Einem Fitnessstudio fehlt die Kraft

Von Alex Wehnert

Der menschgewordene Kühlschrank plagt sich an der Brustpresse ab und stemmt die 280 Pfund zehnmal in schneller Folge – laut ächzend, damit auch ja niemand im New Yorker Fitnessstudio an der 116. Straße seine Höchstleistung verpasst. Nach zwei Sätzen braucht der Kraftbrocken eine Pause und gönnt sich einen Schluck aus seiner Elektrolytpulle. Doch ob der vorherigen Anstrengung entgleitet ihm der Trinkkanister und schlägt auf den Boden auf, worauf sich die blassrosa Flüssigkeit über die dort abgelegten Handtücher anderer Trainingsspezialisten ausbreitet. Der Brustpressen-Junkie betrachtet sich die Bescherung kurz, zuckt dann mit den Schultern und trollt sich zu einem Gerät am anderen Ende des Raumes. Bis ein Mitarbeiter des Fitnessstudios sich einen Mopp schnappt und die Elektrolytlache aufwischt, vergeht eine gute Viertelstunde – und dann erfolgt das Reinemachen auch nur auf Anfrage von Kunden, die ihre durchnässten Handtücher entnervt auswringen.

Klapprige Maschinen und irres Publikum

Solche Szenen sind bei Blink Fitness in der Filiale im südlichen Harlem für viele Besucher fast schon liebgewonnene Tradition. Wer beim New Yorker Billiganbieter für nur 25 Dollar im Monat trainiert, der kann eben wenig Ansprüche an die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter, die Sauberkeit und Ordnung im Studio und die Zurechnungsfähigkeit des Publikums stellen. Und so rangeln an sieben Tage die Woche viele, die nördlich des Central Park wohnen, begleitet von einer Kakofonie aus generischen, aus den Lautsprechern dröhnenden Pop-Remixes und dem Gebrüll testosterongesteuerter Brustpressen-Junkies um einen Platz auf Fitnessgeräten, die beim ersten Windstoß auseinanderzufallen drohen.

Nun stellt sich allerdings die Frage, wie lange noch. Denn Blink, der Billigableger der Luxus-Gymkette Equinox, hat zu Beginn der laufenden Woche Insolvenz nach Chapter 11 beantragt. Wie bei vielen Niedrigpreiskonkurrenten wiegen die Folgen der Corona-Pandemie, während der laut dem Branchenverband Health & Fitness Association 25% aller US-Muckibuden dauerhaft geschlossen blieben, schwer. Blink, die über Monate komplett ohne Erlöse dastand, muss noch immer angestaute Mietzahlungen abstottern. Das Unternehmen prüfe „strategische Optionen“, heißt es in einer am Montag verschickten Mail von CEO Guy Harkless an Kunden, es soll schnellstmöglich der Verkauf aller Assets folgen.

Filialschließungen drohen

Damit bahnt sich auch die Schließung einiger der rund 100 Filialen in New York, New Jersey, Massachusetts, Illinois, Texas und Kalifornien an – wiewohl Harkless betont, dass die über 400.000 Mitglieder zunächst wie gehabt weiter trainieren könnten. Neue Finanzierungszusagen über 21 Mill. Dollar sollen dabei helfen, den Betrieb während des Insolvenzverfahrens aufrechtzuerhalten, nachdem Blink trotz einer Schuldenlast von 280 Mill. Dollar im Frühjahr noch umfangreich in ihre 30 populärsten Filialen investierte – auch in Harlem gab es neue Geräte, die den alten in puncto Klapprigkeit aber nur wenig nachstehen.

Immerhin: Die Flucht in den Gläubigerschutz ist in den USA weitaus weniger stigmatisiert als in Europa, Unternehmen begreifen ein Chapter-11-Verfahren als Chance zum Neubeginn. Und so besteht auch für Blink, die über eine junge Kundschaft verfügt, die Hoffnung auf einen Neuanfang. Bleibt für Kunden zu hoffen, dass künftig noch Geld für Mopps da ist, mit denen sich etwaige Elektrolytlachen aufwischen lassen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.