LeitartikelGeldpolitik

Wenn es nicht wehtut, funktioniert es nicht

Will sie die Inflation in den Griff bekommen, hat die Bank of England keine andere Wahl, als den Leitzins weiter zu erhöhen. Statt externe Faktoren dafür verantwortlich zu machen, wäre es besser, wenn sie ihre Fehler endlich zugeben würde.

Wenn es nicht wehtut, funktioniert es nicht

Bank of England

Wenn es nicht wehtut, funktioniert es nicht

Von Andreas Hippin

Will sie die Inflation in den Griff bekommen, hat die Bank of England keine andere Wahl, als den Leitzins zu erhöhen.

Die Bank of England hat mit Blick auf die jüngsten Konjunkturdaten wenig Alternativen dazu, den Leitzins kräftig zu erhöhen.  Doch gilt das keinesfalls als ausgemacht. Die Führungsspitze wirkt seltsam orientierungslos. Die Zeiten, in denen alle großen Notenbanken eine straffere Linie einschlugen, sind schon wieder vorbei. Es gibt für die Geldpolitiker in der Threadneedle Street keinen Konsens mehr, hinter dem sie sich verstecken könnten. Die Federal Reserve setzte zuletzt aus. Das war zwar von reichlich Wortgeschwurbel begleitet. Am Markt glaubt allerdings kaum jemand daran, dass die angedeuteten weiteren Schritte nach oben tatsächlich in Kürze folgen werden. Die EZB erhöhte dagegen den Leitzins und ließ keine Zweifel daran, dass sie damit weitermachen will. Die Volksrepublik China machte sich unterdessen daran, ihre alte Rolle als Exporteur von Deflation wieder zu übernehmen.

Die Inflation hat sich in Großbritannien als weitaus hartnäckiger erwiesen als von den Ökonomen der Notenbank erwartet. Sie haben keine Erklärung dafür parat, warum sie mit ihren Schätzungen so daneben lagen. Der Gouverneur Andrew Bailey sagte bei einem peinlichen Auftritt im House of Lords, man werde aus den Fehlern lernen. Man wisse nur noch nicht genau was. Nun wird externe Hilfe eingeholt. Vielleicht sollte man Andy Haldane fragen, den ehemaligen Chefvolkswirt, dessen Warnungen 2021 in den endlosen Korridoren des festungsartigen Notenbankkomplexes verhallten. Bailey nutzte jede Gelegenheit, den Krieg in der Ukraine für die rasante Teuerung verantwortlich zu machen. Wladimir Putin bot sich schließlich als Sündenbock geradezu an. Baileys Vorgänger Mark Carney warf den Brexit als mögliche Erklärung ins Rennen. Auch für diese These gibt es Abnehmer. Mittlerweile dürfte aber jedem klar sein, dass der starke Preisauftrieb etwas mit der exzessiven Gelddruckerei der Bank of England während der Pandemie zu tun gehabt haben dürfte, die noch bis Ende 2021 fortgesetzt wurde, obwohl die Inflation bereits anzog. Sie ermöglichte der Regierung dadurch, auch noch die letzte Zombiefirma durch Staatshilfen am Laufen zu halten, ohne den Markt für britische Staatsanleihen gegen die Wand zu fahren. Jetzt wäre der richtige Moment, die gemachten Fehler zuzugeben. Denn sie zu korrigieren, wird das Leben vieler Menschen schwerer machen.

Erst ein Drittel der Auswirkungen der bisherigen Zinsschritte ist bereits spürbar und es werden wohl noch weitere folgen. Wenn es nicht weh tue, funktioniere es nicht, sagte Margaret Thatchers Nachfolger John Major, als er mit zweistelliger Inflation zu kämpfen hatte. Heute gilt das mehr denn je. Die Zinsen für Festzinshypotheken mit einer Laufzeit von zwei Jahren liegen im Schnitt bei mehr als 6%. Wer jetzt refinanzieren muss, wird eine mindestens doppelt so hohe Monatsrate zahlen müssen. Das ist umso bitterer, wenn man bedenkt, dass die Bank of England Immobilienkäufer vor zwei Jahren mit der Mär von der vorübergehenden Natur der Inflation in Sicherheit gewogen hatte. Man kann es ihnen nicht verdenken, dass sie nun Unterstützung fordern. Auch Firmen, deren Geschäftsmodell nur in einem Umfeld funktioniert, in dem Geld nichts kostet, sehen den Staat in der Pflicht. Doch sollten Regierung und Notenbank ganz klar kommunizieren, dass es so etwas wie einen Anspruch auf billige Kredite nicht gibt.

Und noch in einem weiteren Punkt ist es an der Zeit, sich ehrlich zu machen. Schatzkanzler Jeremy Hunt hatte zuletzt den Eindruck erweckt, der Lebensstandard werde sich verbessern, wenn das Inflationsziel der Notenbank von 2,0% erreicht ist. Doch dem ist nicht so. Er verbessert sich nur dann, wenn die Löhne stärker steigen als die Preise. Dazu könnte es kommen, wenn sich Erdgas oder Kraftstoffe verbilligen – ganz ohne die befürchtete Lohn-Preis-Spirale, die in Großbritannien ohnehin eine Preis-Lohn-Spirale ist. Die Arbeitnehmer reagieren auf steigende Preise mit höheren Lohnforderungen, nicht umgekehrt. Noch besser wäre allerdings, wenn sich der Lebensstandard verbessern würde, weil die Volkswirtschaft wächst und die Produktivität steigt. Zu den größten Produktivitätsbremsen gehören das dysfunktionale öffentliche Gesundheitswesen und die überbordende Regulierung aller Lebensbereiche. Da muss man ansetzen, wenn sich etwas zum Besseren verändern soll.

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