KommentarArbeitsbelastung

Wer Geld will, schläft nicht

Zahlreiche junge Mitarbeiter globaler Investmenthäuser ächzen unter einer überzogenen Arbeitsbelastung, die ernste gesundheitliche Konsequenzen hat. Die Branche muss ihren Umgang mit Talenten daher dringend überdenken.

Wer Geld will, schläft nicht

Arbeitsbelastung

Wer Geld will, schläft nicht

Von Alex Wehnert

Die globale Finanzbranche muss ihren Umgang mit jungen Talenten grundlegend überdenken.

Die Vertreter der globalen Finanzbranche müssen sich von veralteten Leistungsprinzipien verabschieden. Nach dem Motto „Geld schläft nicht“ muten zahlreiche Investmenthäuser ihren jungen Mitarbeitern bereits seit Jahrzehnten eine massive Überlastung zu, bei der auch der technologische Fortschritt kaum Abhilfe schafft. Für die Wall-Street-Banken, aber auch ihre Wettbewerber am europäischen Finanzplatz hat die mangelnde Work-Life-Balance weithin ignorierte Konsequenzen: einen massiven Verschleiß an Talenten und Probleme bei der Suche nach motivierten jungen Mitarbeitern.

An der Wall Street schlägt der tragische Tod eines jungen Beschäftigten von Bank of America im Mai derzeit hohe Wellen. Der 35-Jährige starb an einem Blutgerinnsel, nachdem er über 100 Stunden pro Woche an einem 2 Mrd. Dollar schweren Deal gearbeitet hatte. Recherchen des „Wall Street Journal“ zeigen, dass es sich bei der Überlastung innerhalb der Belegschaft des Geldhauses offenbar um ein strukturelles Problem handelt – obwohl die Bank sich vor zehn Jahren neue Regeln verpasst hatte, um den Druck auf junge Kollegen zu verringern. Den Hintergrund bildete auch damals ein Todesfall: Ein deutscher Praktikant im Londoner Büro von Bank of America starb an einem epileptischen Anfall, nachdem er binnen einer Woche mehrere Nächte durchgearbeitet hatte.

Überlastung als Initiationsritus

Dass sich seither offenbar wenig geändert hat, dürfte vor allem dem indirekten und direkten Druck durch höherrangige Mitarbeiter geschuldet sein, die zu Beginn ihrer Laufbahn die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Wer Einstiegsgehälter von nicht selten bis zu 200.000 Dollar verdienen wolle, der müsse eben alles geben, so das verbreitete Narrativ. Schlaflose Nächte und 120-Stunden-Wochen gelten gemeinhin als Initiationsritus einer erfolgreichen Investmentkarriere und Opfer für die Chance auf ein privates Millionenvermögen. Diese Haltung ist der Branche so inhärent, dass viele junge Mitarbeiter sich lange nicht trauten, sich gegen die Verhältnisse aufzulehnen.

Doch nun beginnen überarbeitete junge Kollegen in größeren Zahlen, die Brocken hinzuwerfen. Auch am Frankfurter Finanzplatz beklagen Vertreter von Investmentbanken, Assetmanagern und Private-Equity-Gesellschaften folglich, dass sie keine jungen Mitarbeiter mehr finden, die bereit sind, ihr Privatleben über Jahre hinweg aufzugeben. Doch das Gemurre ist kontraproduktiv. Branchenköpfe sollten sich viel eher darum sorgen, sich durch überzogene Anforderungen keine Imageprobleme einzuhandeln und ihre Talente nicht an Wettbewerber zu verlieren, die eine stärker ausgewogene Work-Life-Balance bieten.

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