Washington

Wie Gleichberechtigung zu Rassismus werden kann

Eine der angesehensten Schulen in den USA, deren Absolventen die besten Jobs bekommen, hat ihre Aufnahmebedingungen modifiziert, um unterrepräsentierten Afroamerikanern und Schülern hispanischer Abstammung bessere Berufschancen zu geben. Dagegen klagt nun eine andere Minderheit, nämlich Asiaten, die von „Rassismus“ sprechen. Der Fall könnte bis zum Obersten Gerichtshof der USA gehen.

Wie Gleichberechtigung zu Rassismus werden kann

Neben US-Präsident Joe Biden haben auch seine Finanzministerin Janet Yellen und selbst der republikanische Notenbankchef Jerome Powell wiederholt die Notwendigkeit betont, Minderheiten bessere Ausbildungs- und somit Berufschancen zu bieten. Nur so könne das immer größere soziale Gefälle in den USA überwunden werden, argumentieren mittlerweile sowohl Demokraten als auch Republikaner. Nun aber haben in dem Washingtoner Vorort Alexandria die Bemühungen um Gleichberechtigung einen möglichen Rückschlag erlitten.

Dort entschied ein Bundesrichter, dass ein neues Aufnahmeverfahren an einem der angesehensten Gymnasien Amerikas, das den Anteil der Afroamerikaner und Latinos erhöhen soll, unzulässig sei. Der Grund, den Richter Claude Hilton für sein Urteil angab: Die Zulassung von mehr schwarzen Schülern und solchen hispanischer Abstammung diskriminiere eine andere Minderheit, nämlich Asiaten, und sei somit effektiv „rassistisch“. Die Entscheidung hat nun eine hitzige Debatte darüber losgetreten, wie soziale Gleichheit herbeigeführt werden kann, wenn in einem tief gespaltenen Land keine gesellschaftliche Gruppe bereit ist, Kompromisse zu schließen.

Um die Tragweite der Diskussion zu verstehen, muss man wissen, dass die Thomas Jefferson High School für Wissenschaft und Technologie in Virginia, auch „TJ“ genannt, zu den begehrtesten der USA zählt. Schüler, die dort ihren Abschluss erwerben, studieren an Elite-Unis wie dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), Harvard, Princeton oder Stanford und bekommen als Absolventen absolute Top-Jobs, die schon 22-Jährigen sechsstellige Gehälter sichern. Der berufliche Erfolg der TJ-Absolventen ist somit vorgezeichnet.

Nun waren bis zuletzt über 70% der etwa 1800 Schüler an dem renommierten Gymnasium asiatischer Abstammung. Um auch anderen Minderheiten Chancen zu geben, führte die Schule vorletztes Jahr neue Aufnahmebedingungen ein: Anstelle einer Prüfung, die zu den schwierigsten im Lande zählt, sollten auch Kriterien wie Lebenserfahrung und der ökonomische Hintergrund berücksichtigt werden. Prompt stieg der Anteil der Afroamerikaner und Latinos dramatisch, und das irritierte wiederum asiatische Eltern, die mit einer Klage reagierten.

Sie bildeten die „Koalition für TJ“ und klagten unter Berufung auf den 14. Amendment, einen Zusatz zur US-Verfassung, gegen die Lockerung der Zulassungskriterien. Der konservative Richter Hilton, der seinerzeit von Präsident Ronald Reagan ernannt worden war, sah die Dinge ähnlich und entschied im Sinne der engagierten Eltern. Postwendend legte die Schulverwaltung im zuständigen Bezirk Fairfax County Berufung ein und feierte einen Etappensieg.

Das Berufungsgericht wollte über den Fall beraten, entschied aber, dass bis zur Entscheidung die modifizierten Aufnahmebedingungen weiterbestehen könnten. Prompt folgte die Gegenklage seitens der „Koalition für TJ“ beim Supreme Court, dem höchsten Gericht im Lande. Die Koalition drang auf ein rasches Urteil. Die Hohen Richter wollten von dem Fall aber nichts wissen, ehe über die Berufung entschieden ist. Die klagenden Eltern waren darüber alles andere als glücklich. „Die Entscheidung bedeutet, dass Fairfax County an seinem illegalen, verfassungswidrigen und antiasiatischen Aufnahmeverfahren festhalten darf“, hieß es in einer Erklärung des Elternverbandes.

Der Rechtsstreit dauert an, und Rechtsexperten meinen, dass die Auseinandersetzung sowie das abschließende Urteil einen Präzedenzfall schaffen könnten. Schließlich tobt die Debatte um Quotenregelungen für Minderheiten, ob im Berufsleben oder bei der Aufnahme in die besten Schulen und Universitäten, seit Jahrzehnten. Sollte Hiltons ursprüngliches Urteil gekippt werden, könnte der Fall wieder beim konservativen Supreme Court landen. „Dort würden die Hohen Richter eine historische Entscheidung treffen“, so der Rechtsanwalt Michael Payne. „Sie könnten ein Urteil fällen, welches zur Folge hat, dass jede politische Entscheidung zur Förderung von Minderheiten als rassistisch angesehen wird, die jene diskriminiere, die noch so geringe Einbußen hinnehmen oder Opfer erbringen müssen“.