LeitartikelThames Water

Wiederverstaatlichung wäre ein Rückschritt

In Großbritannien hält mittlerweile selbst eine Mehrheit der konservativen Wähler die Wiederverstaatlichung der Wasserversorgung für nötig. Dabei wurde sie privatisiert, weil der Staat die nötigen Investitionen in das noch aus viktorianischen Zeiten stammende Leitungsnetz nicht tragen wollte. Sie erneut in öffentlichen Besitz zu überführen wäre ein Rückschritt für die Bürger, die Umwelt und den Wirtschaftsstandort.

Wiederverstaatlichung wäre ein Rückschritt

Infrastruktur

Verstaatlichung ist ein Rückschritt

Britische Wasserversorger brauchen den klammen Staat nicht als Eigentümer, sondern als unerbittlichen Aufseher.

Von Andreas Hippin

Die Privatisierung der britischen Wasserversorgung ist eine Geschichte von grenzenloser Gier, vermeintlich garantierten Renditen, Staatsversagen und politischem Opportunismus. Nirgendwo sonst befinden sich mehr als zwei Drittel der Wasserversorgung in ausländischen Händen. Britische Infrastruktur ist bei Pensions- und Staatsfonds aus aller Welt beliebt. Wegen der Finanznöte von Thames Water wird nun über eine Wiederverstaatlichung der Branche diskutiert. Auch eine deutliche Mehrheit der konservativen Wähler wäre einer Youtube-Umfrage zufolge dafür. Aber warum wurde sie eigentlich privatisiert, und war es davor wirklich besser?

Vor der Privatisierung 1989 hatte das Schatzamt über ein Jahrzehnt hinweg die Investitionen der öffentlichen Wasserversorger auf weniger als 2 Mrd. Pfund pro Jahr gedeckelt. Flüsse und Strände wurden durch Abwasser verschmutzt. Enorme Mengen Trinkwasser versickerten durch Risse und Löcher in den Leitungen. Seine Qualität ließ zu wünschen übrig, insbesondere wenn man die EU-Trinkwasserdirektive zum Maßstab nahm. Die Gründe für die Investitionszurückhaltung lagen auf der Hand: Ein Staat kann sich nur in begrenztem Umfang Geld leihen. Schulen und Krankenhäuser bringen Wählerstimmen. Die Trennung von Regen- und Abwasser kostet mehr und interessiert keinen, denn Wasser ist für viele Briten immer noch etwas, das vom Himmel fällt.

Margaret Thatcher hatte vor dem Abverkauf die Schulden der Versorger gestrichen – eine milliardenschwere „grüne Aussteuer“, die Investitionen ermöglichen sollte. Der Verkaufspreis lag um ein Fünftel unter dem angenommenen Marktwert. In Verbindung mit Steuervorteilen und einem großzügigen Preisregime entsprach das einer Lizenz zum Gelddrucken. Aus heutiger Sicht mag es unglaublich klingen, doch die Privatisierung sorgte dafür, dass zunächst mehr investiert wurde als unter staatlicher Regie. Sowohl bei der Trinkwasserqualität als auch bei den Verlusten durch Lecks und der Dauer der Versorgungsunterbrechungen gab es klare Verbesserungen. Auch die Kunden profitierten, denn die Rechnungen stiegen nicht dramatisch. Die Branche konnte erhebliche Mittel am Kapitalmarkt mobilisieren. Das nach der Finanzkrise herrschende Nullzinsumfeld trug dazu bei. Derzeit steht sie mit rund 60 Mrd. Pfund in der Kreide. Doch wurde nicht nur investiert. Verschachtelte Strukturen sorgten für Intransparenz. Die neuen Eigentümer zahlten sich seit der Privatisierung Dividenden von mehr als 50 Mrd. Pfund. Die neuen CEOs trugen erstaunliche Summen nach Hause.

Seit der Privatisierung ist der durchschnittliche Wasserverbrauch der privaten Haushalte stark gestiegen. Die britische Bevölkerung ist zudem um mehrere Millionen Menschen gewachsen. Überkommene Genehmigungsverfahren und Anwohnerklagen bremsen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur. Seit der Fertigstellung des Carsington Reservoir 1992 wurde kein großer Stausee mehr angelegt. Man hätte heute keine Probleme mit längeren Trockenperioden, wenn vorausschauend gehandelt worden wäre. Doch die zahnlose Aufsicht Ofwat hatte vor allem die Funktion, ihrem Führungspersonal als Sprungbrett in Spitzenpositionen der Branche zu dienen. Sie hätte strengere Vorgaben machen, die Regierung den Regulierer besser beaufsichtigen müssen. Stattdessen ließ man die Mär verbreiten, die Wasserknappheit in heißen Sommern gehe auf die drohende Klima-Apokalypse zurück. Die mit Geldstrafen für das Füllen von Babyplanschbecken unterlegte Aufforderung, Wasser zu sparen, passt gut zu grünen Verzichtsideologien. Opportunisten wie Boris Johnson hoffen, damit bei Umweltbewegten punkten zu können. Den Wasserversorgern gibt das die Möglichkeit, so weiterzumachen wie bisher.

Um die Anpassung an den Klimawandel zu stemmen, ist Großbritannien auf private Investoren angewiesen. Funktioniert die Regulierung, kann die privatisierte Wasserversorgung gute Ergebnisse für alle Beteiligten liefern. Die Eigentümer von Thames Water wollen die nötigen Mittel offenbar nicht einschießen. Im Falle einer Verstaatlichung müssten sie entschädigt werden. Besser wäre, die Firma erst zu retten, wenn das Eigenkapital ausradiert ist.

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