KommentarFachkräftemangel

Willkommen(skultur) in der Neidgesellschaft

Die geplante Steuererleichterung für ausländische Fachkräfte wird in der Politik heftig diskutiert. Das sagt mehr über Deutschland aus als eine nette EM-Party.

Willkommen(skultur) in der Neidgesellschaft

Fachkräftemangel

Willkommen in der Neidgesellschaft

Von Sebastian Schmid

Die Idee der Bundesregierung, dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland über Steuervorteile in den ersten Jahren anzulocken, hat nur wenige Tage überlebt, bis sie aus den eigenen Reihen sturmreif geschossen wurde. Nachdem die Opposition – darunter Julia Klöckner (CDU) – ihr Fähnchen gleich schön in den populistischen Wind gehalten hatte und von „Inländer-Diskriminierung“ sprach, ist nun auch SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil schwach geworden. Er mahnte an, Arbeit in diesem Land müsse gleich viel wert sein. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD), die vor einem schwierigen Wahlkampf steht, hält von der steuerlichen Besserstellung ausländischer Fachkräfte sogar „gar nichts“. Dabei gibt es reichlich Argumente dafür, ausländischen Fachkräften in den ersten Jahren eine steuerliche Besserstellung zu gewähren. Erstens benötigen wir wegen des demografischen Wandels dringend mehr Fachkräfte. Zweitens machen dies zahlreiche Nachbarländer ohnehin längst. Wir haben also einen unmittelbaren Wettbewerbsnachteil. Drittens finanzieren ausländische Fachkräfte mit ihren Steuern auch Ausgaben, von denen sie bei einem temporären Aufenthalt gar nicht oder nur wenig profitieren – etwa den Zuschuss zu Renten- und Pflegeversicherung, langfristige Infrastrukturprojekte und viele andere nicht auf den unmittelbaren Nutzen der Bürger gerichtete Ausgaben.

Vor allem aber zeigt die sofort entbrannte Debatte, warum Deutschland eben nicht so gastfreundlich ist, wie es sich selbst wahrnimmt, sondern leider so gastfreundlich, wie es viele Zugezogene erleben. Dass sich Politiker nicht trauen, gegen diesen urdeutschen Reflex zu argumentieren, ist fatal. Eine bessere Selektion in der Zuwanderung wird nicht über eine (scheinbare) Abschreckung schwer integrierbarer Migranten zu schaffen sein, sondern über eine bessere Willkommenskultur für leicht integrierbare Fachkräfte. Wer die Debatte aus dem Ausland verfolgt, bekommt jedenfalls einen realistischeren Vorgeschmack auf die deutsche Leitkultur als beim Blick auf das ausgelassene Fest der Fußball-EM: Willkommen in der Neidgesellschaft.