Winterliche Hitzetote
Notiert in Tokio
Winterliche Hitzetote
Von Martin Fritz
Der plötzliche Tod der prominenten Schauspielerin und Sängerin Miho Nakayama hat die japanischen Medien veranlasst, vor den Gefahren heißer Wannenbäder im Winter zu warnen. Die 54-Jährige, von ihren Fans „Miporin“ genannt, wurde tot in der Badewanne gefunden, nachdem sie nicht zu den Vorbereitungen für ein Weihnachtskonzert erschienen war. Sie veröffentlichte zahlreiche Alben und spielte in vielen Dramen und Filmen mit. Die Polizei untersuchte ihren Tod zwei Tage lang und fand keine Hinweise auf ein Fremdverschulden. Laut ihrer Agentur Big Apple starb Nakayama durch einen „unerwarteten Unfall in der Badewanne“.
Heißes Bad vorm Einschlafen
Diese Andeutung schürte die öffentliche Diskussion, ob die Künstlerin in der Wanne an einem plötzlichen Hitzeschock gestorben sein könnte. Warnungen vor einem frühen Kälteeinbruch mit Schneefall in der Region Tokio verstärkten die Aufregung. Ein Hitzeschock kann plötzliche Herzinfarkte, Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfälle verursachen und tritt häufiger bei Älteren auf – und das nicht nur durch große Sommerhitze: Rund 6.000 Menschen im Alter über 65 starben laut einer Statistik des Gesundheitsministeriums 2023 in der Badewanne, mehr als doppelt so viele wie bei Verkehrsunfällen.
Anders als in Deutschland erfassen japanische Behörden Todesfälle in Badewannen statistisch, da es kulturelle Besonderheiten gibt. Die meisten Japaner nehmen vor dem Schlafengehen ein heißes Bad, um sich aufzuwärmen. Doch die Wohnungen sind so schlecht isoliert, dass Japaner meist nur das Zimmer heizen, in dem man sich aufhalten. Alle anderen Räume bleiben ungeheizt und sind wegen dünner Fenster und Wände fast so kalt wie draußen.
Tiefe Wannen mit hohem Rand
Betritt man nackt das eiskalte Badezimmer, verengen sich die Blutgefäße und der Blutdruck steigt. Wenn man dann nach kurzem Abduschen − Japaner waschen sich vor dem Baden − ins heiße Bad steigt, dehnen sich die Gefäße wieder aus. Der Blutdruck fällt, das Gehirn erhält nicht genug Sauerstoff. Man spürt Schwindel, besonders ältere Menschen können das Bewusstsein verlieren und in den relativ tiefen Wannen leicht ertrinken. Auch das Risiko eines Schlaganfalls steigt. Selbst wenn sie keine Herz- und Kreislaufprobleme haben, sollten auch Jüngere vorsichtig sein, warnte Ayumi Toba, Chefärztin am Tokioter Institut für Geriatrie.
Viele Zeitungen und Online-Portale gaben teils kuriose Ratschläge, wie Japaner dem winterlichen Hitzetod vorbeugen könnten. Sie sollten die Luft im Badezimmer vorheizen, indem sie die traditionell verwendeten Deckel auf der Wanne entfernen, die eigentlich das Abkühlen des Badewassers im kalten Zimmer verlangsamen sollen. Man könnte auch die Badewanne mit dem Strahl der daneben oder darüber installierten Dusche füllen und so nebenher die Luft erwärmen. Ältere Alleinlebende sollten für den Fall der Fälle am besten gar nicht baden. Ähnlich „genial“ waren die Tipps, im Badezimmer eine Heizung einzubauen oder die Wärmedämmung zu verbessern.