Wo Belgique weder belle noch chic ist
Notiert in Brüssel
Wo Belgique weder belle noch chic ist
Von Detlef Fechtner
Na klar, wenn man doch sowieso schon mal da ist, dann will man es doch auch eigentlich einmal mit eigenen Augen anschauen. Das Atomium, die Grand’ Place, das Magritte-Museum. Und natürlich Manneken Pis. Hand aufs Herz: Das sollte man sich gut überlegen. Denn leider gilt nicht für alle Sehenswürdigkeiten die Formel: C’est belle, c’est chic, c’est Belgique.
Manneken Pis zum Beispiel ist für das Gros der Touristen eine herbe Enttäuschung. Gerade mal 61 Zentimeter ist die Bronzestatue des dauerpinkelnden Knaben groß. In anderen Worten: Die Nachbauten in den Souvenir-Shops nebenan, unter anderem in Schokolade, sind zum Teil größer als das Original. Das gibt es wahrscheinlich nirgendwo sonst auf der Welt, dass die eigentliche Sehenswürdigkeit unscheinbarer ist als die Nachbildungen. Ich habe Reisende aus Asien erlebt, die drei-, viermal die Stoofstraat hoch und runter marschiert sind, bevor sie das Wahrzeichen überhaupt erst entdeckt haben.
Imposant hingegen ist um die Ecke die Grand’ Place (wer „der“ Grand´ Place sagt, outet sich als Stadtfremder). Aber auch hier ist Vorsicht geboten. So erzählen Stadtführer gerne die Legende, dass sich der Baumeister des Rathauses nach der Fertigstellung aus dem zweiten Stock gestürzt habe, nachdem er festgestellt hatte, dass der Turm nicht in der Mitte platziert war. Allein diese alberne Geschichte ist Grund genug, beim Altstadtbesuch auf einen Reiseleiter zu verzichten.
Obacht auch beim Besuch des Comic-Museums. Das ist zwar durchaus einen Besuch wert. Unglücklicherweise landen aber einige Reisende gar nicht im tatsächlichen Museum, sondern in einem der Läden findiger Geschäftsleute, die ihre Comic-Verkaufsstationen absichtsvoll irreführend als Comic-Museum anpreisen.
Eine Sehenswürdigkeit besonderer Art ist der Justizpalast. Wobei die Aufmerksamkeit vieler Schaulustiger mittlerweile weniger dem Monumentalbau selbst gilt, sondern der atemberaubenden Gerüstkonstruktion, die das Gebäude nun schon seit Jahren im Zuge nimmer enden wollender Reparaturarbeiten umzingelt.
Das Atomium ist derweil tatsächlich ein Hingucker. Aber ehrlicherweise wirkt es aus der Ferne viel eindrücklicher, als wenn man genau darunter steht. Tipp unter Freunden: Einen guten Ausguck aufs Atomium bietet die Place Poelaert.
Ob der Miniaturgebäudepark Mini-Europe einen Besuch wert ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Zumindest sollte man sich anschließend nicht auch noch in den benachbarten Geschäften und Lokalen tummeln, denn das Gelände hat den Charme einer Gesamtschule. Da gibt es auf jeden Fall schönere Ecken in Brüssel, um sein Geld für Essen und Souvenirs auszugeben. Und die allerletzte Warnung: In den Kneipen, die damit prahlen, dass sie mehr als 100 verschiedene Biere ausschenken, ist die Wahrscheinlichkeit natürlich ausgesprochen hoch, aus einem Fass bedient zu werden, das schon vor Monaten angezapft wurde. Belgier würden derlei Lokale sicherlich meiden.