Wo sich tote Präsidenten, Schwarzbären und Alligatoren begegnen
Notiert in Tennessee
Schwarzbär, Präsident & Co.
Von Alex Wehnert
Die Schwarzbärenmutter steht unvermittelt neben dem Grill. Neugierig beäugt sie die knackigen Würste und mit Frischkäse gefüllten, mit Speck ummantelten Jalapeños, die auf dem Rost vor sich hinbrutzeln und den kühlen Abend im Schatten einer Blockhütte im Osten Tennessees mit ihrem Duft füllen. Die Urlauber im Wald in den Ausläufern der Great Smoky Mountains kennen Mama Bär und ihren vierköpfigen Nachwuchs, der gerne in einem nahen Weiher planscht, schon. Und doch jagt das plötzliche Erscheinen des Muttertiers ihnen einen Schauer über den Rücken. Denn die massige Gestalt zeigt sich gegenüber Versuchen, sie mit viel Gebrüll zu verscheuchen, bevor sie den Grill um- und die angeschlossene Gasleitung abreißt, wenig beeindruckt. Irgendwann kommt sie jedoch offenbar zu dem Schluss, dass Würstchen und Jalapeños wohl doch nicht die richtige Nahrung für ihre Jungen darstellen, und trollt sich gemächlich.
Vielfältige Fauna und wildes Stadtleben
Wer in den Smoky Mountains die Augen offen hält, kann neben dem zumeist friedlichen Schwarzbären auch den Rotluchs, den Weißwedelhirsch und das Südliche Gleithörnchen beobachten, zwischen denen meist kopflos wirkend der wilde Truthahn umherhastet. Fast noch wilder geht es indes in den Städten Tennessees zu. Während die pulsierende Metropole Nashville mit ihren Honkytonk-Kneipen, in denen Country-Troubadoure von früh bis spät über die Jagd, ihre Pick-up-Trucks, Alkohol und verlorene Liebschaften trällern, die Besucherströme anzieht und Knoxville mit einer reichhaltigen Historie aufwartet, dominiert in vielen kleineren Orten statt Live-Musik und Kulturangeboten der Kitsch.

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Gerade Gatlinburg macht sich wenig aus der eigenen Geschichte, sondern profitiert von der Stellung als Tor zum Great-Smoky-Mountains-Nationalpark. Entlang der als Parkway bekannten Hauptstraße, die sich auch durch nahe Orte wie Pigeon Forge zieht, blinkt alles. Freizeitparks reihen sich an riesige Themenrestaurants, statt interessanter Fakten über tote Präsidenten von Andrew Jackson bis Andrew Johnson gibt es Läden zu bestaunen, in denen lebende Alligatoren und Babyhaie feilgeboten werden.
Vorliebe für Substanzloses
Selbst die Whiskey-Distillerien, die sich ihrer Authentizität rühmen, verkaufen den 150 Kilo schweren Touristen aus Wisconsin und Idaho, die trotz ihrer teuren Funktionskleidung sicher keinen der nahen Berge hinaufkommen, gerne mit Blaubeersirup und künstlichen Aromen versetzten Bourbon. Die Empfänglichkeit vieler Amerikaner für Substanzloses sollten sich Vermögensverwalter, die sich vor den nahen US-Wahlen allzu optimistisch über die Marktaussichten äußern, noch einmal vor Augen führen. Denn weder Donald Trump noch Kamala Harris haben trotz großer wirtschaftspolitischer Versprechungen Maßnahmen zu bieten, durch die sie die Vereinigten Staaten fiskalisch nachhaltiger aufstellen und den Bondmarkt langfristig stabilisieren würden. Anstehende Turbulenzen bei Treasuries dürften viele Anleger indes ebenso kalt erwischen wie so mancher Schwarzbär grillende Urlauber.