Welche Herausforderungen Airbus 2023 erwarten
Welche Herausforderungen Airbus 2023 erwarten
Ein Blick hinter die Kulissen des Flugzeugbauers in Hamburg-Finkenwerder
Von Gesche Wüpper, Hamburg
Sie warten ordentlich in Reih und Glied, wie riesige Raupen. Doch es sind keine Autos, die auf dem Gelände in Hamburg-Finkenwerder parken. Es sind Dutzende von Flugzeugrümpfen, die hier bei Airbus auf die nächsten Arbeitsschritte warten. Mit der geplanten Produktionssteigerung steht der europäische Flugzeugbauer in diesem Jahr vor einer gigantischen Aufgabe. Ein Blick hinter die Kulissen des Standorts Hamburg zeigt, welche Herausforderungen ihn dabei erwarten. Neben Problemen der Zuliefererkette stellt auch der steigende Anteil des A321, der größten Version des erfolgreichen Mittelstreckenjets, eine der möglichen Schwachstellen dar.
„Das ist wie ein Produktionshochlauf innerhalb des Produktionshochlaufs, erklärt Marco Wagner, der Personalchef von Airbus Commercial Aircraft in Deutschland. Die längste Version des Mittelstreckenklassikers war zunächst ein Nischenprodukt, das gerade einmal 10% der Bestellungen ausmachte. Doch inzwischen ist ihr Anteil am Auftragsbestand auf etwas über 50% gestiegen. Dem Flugzeugbauer lagen Ende Februar insgesamt 3714 Bestellungen für den A321 vor, die noch ausgeliefert werden müssen.
Der Flugzeugbauer bietet das Modell mittlerweile auch in den zwei Langstreckenversionen A321LR (Long Range) und A321XLR (Extra Long Range) an, für die Kunden auch eine komplexere Kabinenausstattung in einer Mehrklassenkonfiguration bestellen können. Das jedoch verkompliziert die Arbeit für Airbus. Die Langstreckenversion des A321 hat eine Reichweite von rund 4000 nautischen Meilen, 15% mehr als die klassische Version, so dass sie auf Strecken von Europa an die amerikanische Ostküste, in die Golf-Region oder von Singapur nach Australien eingesetzt werden kann. Dem Flugzeugbauer lagen Ende Februar insgesamt 3714 Bestellungen für den A321 vor, die noch ausgeliefert werden müssen.
Dabei ist sein Ziel ohnehin ehrgeizig. So will der Luft- und Raumfahrtkonzern die Fertigungsrate des A320, seines mit Abstand wichtigsten Flugzeug-Programms, bis Ende 2024 auf 65 Exemplare pro Monat steigern, bis 2026 dann auf 75. Wegen der angespannten Zuliefererkette musste Airbus die geplante Produktionshochfuhr jedoch bereits mehrmals verschieben.
„Ende letzten Jahres betrug die Fertigungsrate 45 pro Monat“, sagte Airbus-Aerostructures-Chef André Walter der französischen Journalistenvereinigung AJPAE. Zum Vergleich: Vor Corona lag die Fertigungsrate der vier Standorte Hamburg, Toulouse, Tianjin (China) und Mobile (USA), an denen die Endmontage des A320 stattfindet, noch bei 60 Maschinen pro Monat. „Wir waren 2019 mitten in der Produktionshochfuhr“, erklärt Personalchef Wagner. Nach Ausbruch der Pandemie musste Airbus die Fertigungsrate dann jedoch auf 40 senken.
Der Flugzeugbauer muss nun Gas geben, wenn er in diesem Jahr wie geplant 720 Flugzeuge ausliefern will. Er will deshalb 2023 allein in Deutschland 3500 neue Mitarbeiter einstellen, davon 1900 in der Zivilflugzeugsparte. Letztes Jahr musste Airbus das Auslieferungsziel mehrmals kappen. Trotzdem hat der Konzern es am Ende verfehlt. Und die ersten zwei Monate des Jahres liefen äußerst schleppend an.
Grund für diese Schwierigkeiten sind vor allem die Probleme einiger Zulieferer, bestimmte Teile rechtzeitig zu liefern. „Elektronische Komponenten, aber auch Rohstoffe, manchmal ein bestimmtes Harz“, erklärt Airbus-Aerostructures-Chef Walter. Doch manchmal sind es nicht nur Lieferengpässe, die die Produktion erschweren, wie ein Besuch in der Kabinenausstattung in Hamburg-Finkenwerder vor Augen führt. Auf der einen Seite der Halle steht ein A321, der für eine Low-Cost-Airline bestimmt ist, auf der anderen ein A321, den ein Flagcarrier bestellt hat.
Komplexe Kabinen
Die Billigfluggesellschaft, deren künftiger A321 in Hamburg mit einer Kabine ausgestattet wird, begnügt sich mit einer reinen Economy-Class-Bestuhlung für 240 Passagiere. Dagegen hat sich der Flagcarrier für seine Langstreckenversion für eine Zwei-Klassen-Konfiguration mit 180 Sitzplätzen entschieden, darunter acht elegante Business-Class-Sitze im vorderen Teil der Kabine. Sie verfügen über große Flachbildschirme und Ladestationen für das Handy. Vor allem aber lassen sie sich in ein Bett verwandeln.
Allerdings braucht der Einbau einer solchen Kabine seine Zeit. Während die Kabinenausstattung von Maschinen mit klassischer Konfiguration gerade mal fünf Tage dauert, erfordern komplexe Varianten wie die des Flagcarriers zwei bis drei Wochen. „Kunden mögen gerne dieselben Business-Class-Sitze, die sie auch in ihren anderen Langstreckenmodellen haben, deshalb sind sie nicht unbedingt für diese Art von Flugzeugtyp entworfen“, erklärt ein Mitarbeiter. „Wir müssen sie deshalb vor der Maschine auseinander bauen, um sie durch die Öffnungen in die Kabine zu bekommen. Dort müssen wir sie dann wieder zusammenbauen.“
Mit dem A321XLR, der geplanten neuen Extra-Long-Range-Version, könnten die Kabinen noch komplexer werden, meint er. Bereits jetzt seien gut ein Drittel der A321-Maschinen, um die er sich zusammen mit seinen Kollegen in Finkenwerder kümmert, komplex. Zwar könnten inzwischen alle vier A320-Standorte die größte Version des Mittelstreckenjets bauen, doch Hamburg bleibe das Zentrum für die komplexen Fälle, sagt Airbus-Aerostructure-Chef Walter. „Wegen unserer Erfahrung damit ist Hamburg auch ausgewählt worden, den A321XLR zu bauen.“ Denn der ist zusätzlich zu den möglichen Mehrklassen-Konfigurationen der Kabine noch komplexer, weil er über einen größeren Zusatztank verfügt als die LR-Version.
Damit die Ultra-Langstreckenversion nicht die restliche Kabinenausstattung blockiert, baut Airbus in Hamburg gerade einen riesigen Hangar speziell für den A321XLR. Er soll im September eingeweiht werden – rechtzeitig, damit die neueste Variante des Verkaufsschlagers im zweiten Quartal 2024 an den Erstkunden ausgeliefert werden kann. Ursprünglich hatte Airbus geplant, den A321XLR schon in diesem Jahr erstmals in Dienst zu stellen. Doch wegen des großen Zusatztankes hat die europäische Agentur für Flugsicherheit EASA zusätzliche Anforderungen gestellt, so dass der Termin verschoben werden musste.
Abheben von der Konkurrenz
Bislang liegen dem europäischen Flugzeugbauer Bestellungen von 26 Kunden für 560 Exemplare der Ultra-Langstreckenversion des A321 vor. In dem 10.000 Quadratmeter großen Customer Definition Center (CDC) in Hamburg-Finkenwerder können sie die passende Ausstattung für ihn aussuchen. Das CDC erinnert an ein Einrichtungshaus, mit speziellen Räumen für bestimme Kabinenelemente, mit Stoff- und Ledermustern für Sitzbezüge, Bodenbeläge und Gurte. In einem anderen Raum helfen Laserprojektionen auf dem Fußboden, sich die Abstände zwischen bestimmten Kabinenelementen besser vorzustellen.
„Für Fluggesellschaften hat die Gestaltung der Kabinen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da sie sich dadurch von ihren Konkurrenten differenzieren können“, sagt Hélène Menweg, die Leiterin des CDC. Natürlich könnte all das auch rein virtuell geplant werden. „Aber die Kunden mögen es lieber, die Materialien sehen und anfassen zu können.“ Jede Woche empfangen Menweg und ihr Team die Vertreter von drei verschiedenen Kunden. „Einige schicken uns sogar ihre eigenen Sitze.“ Ziel sei, bereits alles so für die Kabinenausstattung vorzubereiten, dass es am Ende beim Einbau keine bösen Überraschungen gibt. „Wir sehen aber auch die Komplexität der Mehrklassenkonfigurationen“, gibt Menweg zu.