Zähes Ringen um US-Wahlreform
Die Erstürmung des US-Kapitols und deren erster Jahrestag sind fast allen Amerikanern noch frisch in Erinnerung. Kein Wunder also, dass die Demokraten nun ihr Versprechen einlösen wollen, als ersten legislativen Vorstoß im neuen Jahr eine umfassende Reform des Wahlrechts durch den Kongress zu bekommen. Die Zeit drängt tatsächlich, denn in den kommenden Jahren steht eine Menge auf dem Spiel. So werden im November sämtliche 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Noch größere Spannung wird zwei Jahre danach der Präsidentschaftswahl gelten, für die der republikanische Ex-Präsident Donald Trump bereits die Weichen stellt.
Indes wachsen die Sorgen, dass die Republikaner sämtliche Register ziehen werden, um Wähler zu unterdrücken und die Ergebnisse zu manipulieren. So haben 2021 nicht weniger als 19 US-Staaten mit republikanisch beherrschten Parlamenten mehr als 30 Gesetze verabschiedet, die nach Ansicht von Kritikern darauf abzielen, Minderheiten, insbesondere Afroamerikanern, die Teilnahme an Wahlen zu erschweren.
So ist in Texas künftig die vorzeitige Stimmabgabe am frühen Sonntagmorgen vor dem Wahltag verboten. Kritiker meinen, dass diese Restriktion das Ziel hat, afroamerikanische Wähler, die früh zum Gottesdienst gehen, von der Teilnahme abzuhalten. Auch haben Florida und andere Staaten in ärmeren Bezirken, wo viele kein Auto besitzen und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel schlecht ist, die Zahl der Sammelkästen deutlich eingeschränkt, in denen Stimmzettel deponiert werden können. Zudem sollen in einigen Staaten Briefwahlstimmen nicht mehr anerkannt werden. Ferner sollen die Ausweiskontrollen im Wahllokal deutlich verschärft werden. Dadurch wird für Personen, die keinen Führerschein besitzen, die Abgabe des Stimmzettels fast unmöglich werden.
Nachdem im Kongress eine Gesetzesinitiative bereits am Widerstand der Republikaner gescheitert war, haben die Demokraten nun einen zweiten Anlauf genommen. Unermüdlich kämpfen sie für das „Freedom to Vote“-Gesetz und den nach dem Bürgerrechtler und langjährigen Kongressabgeordneten benannten „John Lewis Act“. Die Gesetze sollen auf Bundesebene Mindeststandards einführen, die einzelne Staaten an Alleingängen hindern würden und zudem Rassendiskriminierung verbieten.
Demnach würde jeder volljährige US-Bürger die Registrierung als Wähler online vornehmen können. Briefwahlstimmen, die bis zu eine Woche nach dem Wahltag eingehen, würden gezählt werden. Auch bestünde 15 Tage lang die Gelegenheit zur vorzeitigen Stimmabgabe. Das Gesetz würde auch dem sogenannten „Gerrymandering“, also der neuen Festlegung von Wahlbezirken, einen Riegel vorschieben. Ein weiteres Anliegen ist es gerade angesichts der beiden vergangenen Präsidentschaftswahlen, bei denen russische Hacker versucht haben sollen, über soziale Medien Wähler zu beeinflussen, Manipulationsversuchen aus dem Ausland ein Ende zu setzen.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass die Stimmabgabe nicht mehr den Willen der Wähler widerspiegelt, sondern nur noch eine unverbindliche Empfehlung darstellt“, sagte Joe Biden in einer feurigen Rede in Atlanta. Er forderte den Kongress auf, zügig die Reformen zu verabschieden. Doch im Senat kann die republikanische Opposition selbst als Minderheitspartei das Gesetz mit einem sogenannten „Filibuster“, einer endlosen Plenumsdebatte, blockieren und ist dazu auch bereit.
„Wir müssen die Senatsregeln ändern und der Wählerunterdrückung ein Ende setzen“, forderte Biden. Die Chancen stehen für den Präsidenten aber schlecht. Republikanische Senatoren wollen die Reform zu Fall bringen, um Trump den Weg für 2024 freizuschaufeln und sich auch bei den anstehenden Kongresswahlen Vorteile zu verschaffen. Zwar würde die knappe demokratische Senatsmehrheit ausreichen, um den Filibuster abzuschaffen. Dagegen stemmen sich aber zwei moderate Demokraten. Sowohl Kyrsten Sinema als auch Joe Manchin, jener Senator, der auch Bidens Klima- und Sozialgesetz zu Fall gebracht hatte. Sie wollen von einer Regeländerung nichts wissen.