Zu viel Purpose schadet nur
Britische Großbanken
Zu viel Purpose schadet nur
Von Andreas Hippin
Den Kunden lächerlich zu machen gehört nicht zum Unternehmenszweck einer Bank, auch wenn es sich um Nigel Farage handelt.
Wer die britische Debatte um die Kündigung des Kontos von Nigel Farage bei der Privatbank Coutts mitverfolgt, fühlt sich ins Jahr 2016 zurückversetzt. Der ehemalige Führer der UK Independence Party, die sich am vehementesten für den EU-Austritt eingesetzt hatte, schafft es immer noch, die Gesellschaft zu polarisieren. Für die einen ist Farage ohnehin ein Paria, mit dem kein anständiger Mensch Geschäfte machen würde. Die anderen werten seine Probleme mit Coutts als Angriff auf die Redefreiheit und Beleg für die Existenz einer Cancel Culture, deren Protagonisten Andersdenkende um ihre Existenz bringen wollen.
Nun gibt es keinen Rechtsanspruch auf ein Konto bei dem Institut, bei dem Mitglieder der britischen Königsfamilie ihre Geschäfte machen. Die Privatbank sucht sich ihre Kunden aus. Coutts ist, allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz, nicht inklusiv, sondern allein schon durch ihre Mindestanforderungen für die Kontoeröffnung äußerst exklusiv. Darauf hätte man hinweisen und Farage ein Girokonto bei der Mutter Natwest anbieten können. Das Thema wäre damit erledigt gewesen. Stattdessen versuchte sich die Natwest-Führung in Spin Doctoring. Farage verfüge nicht über das nötige Geld, um Kunde von Coutts zu sein, berichtete ein BBC-Wirtschaftsreporter brühwarm, nachdem er bei einem Dinner neben Natwest-Chefin Alison Rose gesessen hatte. Sie entschuldigte sich zwar pflichtschuldigst für die Indiskretion, als klar war, woher die Informationen gekommen waren. Doch ist so ein Verhalten im Bankgeschäft, das auf Vertrauen beruht, untragbar. Umso erstaunlicher ist, dass der Board Rose wenige Stunden vor ihrem Abgang noch sein uneingeschränktes Vertrauen aussprach.
Vom Niveau der Debatte zeugt die Behauptung, dass Rose nicht hätte gehen müssen, wenn sie ein Mann wäre. Das ist schon deshalb Unsinn, weil auch der Coutts-Chef Peter Flavel seinen Hut nehmen musste und Natwest-Chairman Howard Davies um den Rücktritt wohl nicht herumkommen wird, auch wenn er sich derzeit noch sehr dagegen stemmt. Vermutlich hat all der Purpose, mit dem sich die ehemalige Royal Bank of Scotland unter der Führung von Rose aufgehübscht hat, um die Vergangenheit vergessen zu machen, den Blick darauf verstellt, was eigentlich der Sinn einer Bank ist. Den Kunden lächerlich zu machen gehört nicht dazu – auch wenn es sich dabei um einen wie Farage handelt.
Den Planeten zu bewahren, für die Rechte von Transpersonen einzutreten und weibliches Unternehmertum zu fördern sind alles hehre Ziele. Es spricht auch nichts dagegen, seine Werte als inklusiv, neugierig, robust, nachhaltig und ehrgeizig zu beschreiben. Doch in erster Linie verleiht eine Bank Geld gegen höhere Zinsen, als sie ihren Einlagenkunden bezahlt. Einen Teil des so erwirtschafteten Gewinns schüttet sie an ihre Anteilseigner aus. Das ist ihr Unternehmenszweck. Für das ordentliche Funktionieren einer Marktwirtschaft sind Banken unerlässlich. Es bedurfte der Intervention der Regierung, die selbstgerechte Funktionärskaste an der Spitze von Natwest daran zu erinnern. Das Schatzamt konnte ein Machtwort sprechen, weil der Staat es seit der Rettung des Instituts in der Finanzkrise immer noch nicht geschafft hat, sich gesichtswahrend komplett von seiner damals zum Premiumpreis eingegangenen Beteiligung zu trennen. Noch befinden sich rund zwei Fünftel in öffentlicher Hand.
Der eigentliche Skandal besteht darin, dass Farage nach eigenem Bekunden von zahlreichen Banken abgewiesen wurde, bei denen er ein ganz gewöhnliches Konto eröffnen wollte. Das sogenannte Debanking missliebiger Personen und Gruppen ist ein Thema, das in Großbritannien nicht nur den prominenten Rechtsaußenpolitiker betrifft, sondern auch viele andere. Der Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller wurde von Monzo das Konto ihrer Partei True & Fair gekündigt. Muslimische Spendensammelvereine haben schon lange das Problem, von Banken nur mit spitzen Fingern angefasst zu werden. Den Instituten geht es darum, Reputationsrisiken und Compliance-Kosten zu vermeiden, die durch solche Kunden entstehen könnten. Dem sollte der Staat einen Riegel vorschieben. Nun will Farage eine Kampagne zu dem Thema lostreten. Man wird es ihm hoffentlich nicht überlassen. Dazu ist es zu wichtig.