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Zu weit aus dem Fenster gelehnt

Die Inflation in den USA erweist sich als hartnäckiger als gedacht. Die Akteure an den Märkten, die auf eine erste Zinssenkung bereits im Juni spekuliert hatten, sehen sich auf dem falschen Fuß erwischt.

Zu weit aus dem Fenster gelehnt

Zinserwartungen

Zu weit aus dem Fenster gelehnt

An den Märkten war fest mit einer ersten
US-Zinssenkung im Juni gerechnet worden. Das war voreilig.

Wie schon in drei vorangegangenen Monaten haben die amerikanischen Inflationszahlen wieder einmal eine Überraschung bereitgehalten – und erneut eine negative. Auf Ebene der Verbraucherpreise fiel die Geldentwertung wieder höher aus als gedacht. Dies gilt sowohl für die eigentliche Inflationsrate als auch für die stark beachtete Kernrate, die die besonders volatilen Aggregate Energie und Lebensmittel ausblendet.

Die Reaktion an den Märkten war ausgeprägt. Der Dax gab um mehr als 200 Indexpunkte nach und rutschte erstmals seit dem 19. März unter die Marke von 18.000 Punkten. Im frühen Handel an der Wall Street verzeichnete der wichtigste US-Benchmark-Index S&P 500 ein Minus von mehr als 1%. Und der Goldpreis entfernte sich deutlich von dem am Vortag markierten Allzeithoch.

Was die Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt, ist die Tatsache, dass die allgemein erwarteten drei Leitzinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte durch die US-Notenbank Federal Reserve nun keineswegs mehr sicher sind. Auf diese Perspektive hatten zuletzt auch bereits einige prominente US-Notenbanker ausdrücklich hingewiesen.

Nun sind die Inflationsdaten sicherlich nicht sehr viel höher ausgefallen als erwartet. Sieht man sich aber die Zahlen im Detail an, so gibt es eine Reihe von Aspekten, die zu Stirnrunzeln der Marktteilnehmer geführt haben. So sind es neben den Kosten für Wohnraum vor allem die Aufwendungen für Energie, die die Verbraucherpreise nach oben getrieben haben. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen und die Inflation auch in den kommenden Monaten befeuern. Zwar sind die Gaspreise überall auf niedrigem Niveau, allerdings hieven das knappe Angebot und die geopolitischen Konflikte den Ölpreis nach oben, so dass viele Analysten bereits gezwungen waren, ihre Prognosen nach oben zu korrigieren.

Auch innerhalb der Komponenten der Kernrate sieht es wenig erfreulich aus. So ist die Super-Kernrate, in die Dienstleistungen eingehen und die die Kosten für Wohnraum ausblendet, sogar im Vergleich zum Vormonat um 0,7% und im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5% geklettert. Dies alles deutet darauf hin, dass das Thema Inflation die amerikanische Notenbank noch stärker beschäftigen wird als von vielen Marktteilnehmern gedacht. Eine erste Zinssenkung im Juni ist nun unwahrscheinlich geworden. Aktuell sieht es für den ersten Schritt der Fed nach Juli oder September aus. Für die Märkte wird sich das über die Sommermonate als Belastung erweisen.

Von Dieter Kuckelkorn
BZ+
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