BlickfeldBahnverkehr

Zugreisende freuen sich über die Konkurrenz in Spanien

Die Liberalisierung des Passagierverkehrs in Spanien lässt die Preise purzeln, während das Angebot stark ausgebaut wurde. Das Hochgeschwindigkeitsnetz wächst weiter.

Zugreisende freuen sich über die Konkurrenz in Spanien

Zugreisende freuen sich über die Konkurrenz in Spanien

Die Liberalisierung des Passagierverkehrs in Spanien lässt die Preise purzeln, während das Angebot stark ausgebaut wurde. Das Hochgeschwindigkeitsnetz wächst weiter.

Von Thilo Schäfer, Madrid

Spaniens König Felipe (2. vorne links) und Ministerpräsident Pedro Sánchez (2.v.r.) eröffneten Ende November die Schnellstrecke von Madrid nach Asturien im Norden – die jüngste Erweiterung des Netzes, das 4.000 Kilometer umfasst. Die Linie kostete 4 Mrd. Euro.

In Spanien wird der große Sommerurlaub allgemein nicht so früh gebucht wie in Deutschland. Doch wer hierzulande dieser Tage bei den Sonderangeboten der Bahngesellschaften zugreift, kann sich fantastische Schnäppchen sichern. Die staatliche Renfe bietet Tickets für die Strecke zwischen Madrid und Barcelona für nur 18 Euro an. Der bewährte Hochgeschwindigkeitszug Ave (Alta Velocidad Española) braucht für die gut 500 Kilometer weniger als drei Stunden. Beim Konkurrenten Ouigo kann man von der spanischen zur katalanischen Hauptstadt sogar für 15 Euro buchen. Ähnliche Angebote gibt es auch für die Hochgeschwindigkeitsverbindungen in den Süden und an die Mittelmeerküste bei Valencia und Alicante.

Die Liberalisierung des Passagierverkehrs der Eisenbahn in Spanien ist aus Sicht der Verbraucher ein großer Erfolg geworden. Die Preise sind deutlich gefallen und das Angebot ist spürbar ausgebaut worden, dank der neuen Konkurrenz. Das Land hat sein Netz der Hochgeschwindigkeitsstrecken erweitert, auch dank der Milliardengelder von der Europäischen Union. Ende November weihten Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und König Felipe VI. die Strecke ins nördliche Asturien ein. Die 50 Kilometer lange Variante de Pajares ist eine technische Meisterleistung, da 80% der Strecke durch Tunnel führen, wovon der längste allein 25 Kilometer misst. Das Projekt kostete 4 Mrd. Euro.

Eine Strecke – drei Wettbewerber

Im Mai 2021 – mit Verzögerung wegen der Pandemie – fuhr der erste Zug von Ouigo, der spanischen Tochter der französischen Staatsbahn SNCF, von Madrid nach Barcelona. Im November 2022 nahm Iryo – ein Joint Venture der staatlichen Trenitalia, von Air Nostrum, einer Tochter der Fluglinie Iberia, und dem Infrastrukturbetreiber Globavia – den Betrieb auf. Damit war Spanien das erste große Land in Europa, in dem drei Wettbewerber auf einer Strecke gegeneinander antraten. Die günstigeren Preise für das früher eher teure Angebot des Ave haben die Nachfrage stark belebt. Im dritten Quartal 2023 verzeichnete das Hochgeschwindigkeitsnetz einen neuen Rekord mit 8,4 Millionen Passagieren, ein Zuwachs von 32% im Vergleich zum Vorjahr, wie die jüngsten Zahlen der spanischen Wettbewerbsaufsicht CNMC zeigen.

Die neue Konkurrenz konnte dem Platzhirsch Renfe in den ersten beiden Jahren der Liberalisierung mehr Marktanteile abjagen, als die meisten Experten und die Unternehmen selbst erwartet hatten. Renfe, die auf den Wettbewerb mit einer eigenen Low-Cost-Tochter namens Avlo reagierte, hat zwar immer noch die Vormachtstellung. Doch auf den am meisten frequentierten Linien zwischen Madrid und Barcelona hat Iryo mittlerweile einen Marktanteil von 22,4% und Ouigo von 19,7%,. Auf der Strecke Madrid–Valencia haben die beiden Mitbewerber zusammen sogar knapp die Nase vorn. Renfe dominiert dagegen weiterhin die Fahrten nach Andalusien.

„Genug für alle“

Der Vorsitzende von Iryo, Carlos Bertomeu, räumte auf einer Veranstaltung im November in Madrid ein, dass die fünf Millionen Passagiere, die der spanisch-italienische Anbieter in seinem ersten Jahr beförderte, „viel mehr waren, als wir erwartet hatten“. Sein Kollege Raül Blanco von Renfe klagte zwar über den „harten Wettbewerb“, er versicherte aber, es gebe „genug Nachfrage für alle“. Zugreisende erfreuen sich an mehr Verbindungen zu günstigeren Preisen. Auf den Strecken von Madrid nach Barcelona und Valencia sind die Tickets im dritten Quartal gegenüber 2022 um weitere 10% billiger geworden, berichtet die CNMC. Laut dem Buchungsportal Trainline ist die Fahrt zwischen Madrid und Barcelona seit 2019 um ganze 65% günstiger geworden.

Was schön für die Verbraucher ist, bereitet den Unternehmen jedoch Kopfschmerzen. Denn die Rentabilität der Eisenbahn leidet unter der harten Konkurrenz. So kalkuliert die CNMC, dass etwa auf der Strecke Madrid–Barcelona der Umsatz heute 7,3 Euro-Cent pro Kilometer und Passagier beträgt, während es vor der Marktöffnung noch 11 Euro-Cent waren. Besonders die beiden neuen Mitbewerber Ouigo und Iryo kämpfen seit langem um eine Senkung des sogenannten „cánon“ – der Abgabe, welche die Zuggesellschaften an den staatlichen Betreiber der Bahninfrastruktur Adif entrichten müssen. Immerhin wurde die Abgabe für 2024 erneut auf dem Stand von 2021 eingefroren.

Die ganze Halbinsel erschließen

Der hohe Wettbewerbsdruck soll nach dem Willen der spanischen Regierung nicht nachlassen. In einer zweiten Phase der Liberalisierung sollen weitere Anbieter angelockt werden. Spanien hat mit 4.000 Kilometern heute bereits eines der größten Hochgeschwindigkeitsnetze Europas. In jüngster Zeit wurde auch der Norden besser angeschlossen, mit neuen Verbindungen ins nordwestliche Galicien und der erwähnten Strecke nach Oviedo. Seit Jahren laufen im Lande die Arbeiten für zwei Großprojekte mit europäischer Dimension. Der Mittelmeerkorridor soll eine mehrspurige Schienenstrecke für Passagiere und Fracht von der französischen Grenze bis zur Meerenge von Gibraltar erschließen, während der Atlantikkorridor die Häfen und Industriestandorte im Norden mit dem Rest Europas verbinden wird.

Flughafen-Anbindung erst 2026

Auch ein strategisches Versäumnis beim Ausbau des Netzes wird nun korrigiert. Die schnellen Züge sind nämlich nicht mit den beiden wichtigsten Flughäfen des Landes, Madrid-Barajas und El Prat in Barcelona, verbunden. Von 2026 an soll zunächst der Airport der Hauptstadt angeschlossen werden. Die Linksregierung will mit Blick auf die Dekarbonisierung Kurzstreckenflüge abbauen. Reisende können dann von Barajas mit dem Schnellzug an ihren Zielort kommen und umgekehrt.

Renfe setzt auch auf das Ausland

Renfe setzt in ihrem neuen Strategieplan auch aufs Auslandsgeschäft und will noch 2024 eigene Züge nach Paris fahren lassen. Von Madrid nach Lissabon braucht man mit dem Zug dagegen weiter acht Stunden, da der Bau einer Hochgeschwindigkeitsverbindung an der Finanzkrise und politischen Einwänden bislang scheiterte. Jetzt hoffen viele in Spanien, dass die gemeinsame Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 durch Spanien, Portugal und Marokko einen Durchbruch bringt und die beiden Metropolen schneller mit dem Zug verbunden werden.

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