LeitartikelAmpel-Koalition

Zur Lage der Ampel

Das Ansehen der Ampel-Koalition hat in den vergangenen Monaten stark gelitten. Sie hat es in der Hand, etwas dagegen zu unternehmen.

Zur Lage der Ampel

Ampel-Koalition

Herbst der Bewährung

Von Angela Wefers

Die Ampel steht vor einem Herbst der Bewährung. Disziplin und schnellere Einigung können ihr wieder zu Ansehen verhelfen.

Es ist Sommer und auch das Parlament macht einmal Pause. Die Regierung läuft ebenfalls etwas langsamer. Kanzler und Minister enteilen bald in die Sommerfrische. Die Ampel bekommt Zeit zur Besinnung. Es lief nicht rund für das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und FDP in den vergangenen Wochen. Unversöhnliche Positionen und ein scharf geführter Streit haben ihr Bild stark beschädigt. Dies betraf etwa das Ringen um das Gebäudeenergiegesetz zum Einbau von Wärmepumpen. Diese Novelle ist auf den Herbst vertagt, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Gesetzgebung im Schweinsgalopp kurz vor der Sommerpause stoppte. Gerungen wurde auch um den Bundeshaushalt 2024, der erst auf den letzten Drücker das Kabinett passierte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) konnte sich nur mit der Hilfe von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gegen die Begehrlichkeit der Grünen durchsetzen. So richtig scheint es dennoch nicht gelungen. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) beharrt entgegen dem Kabinettbeschluss auf der – nicht mehr ganz so teuren – Kindergrundsicherung.

Der Kitt für den Zusammenhalt der Ampel sind ihre schlechten Umfragewerte. Eine Regierungsmehrheit würden SPD, Grün und FDP heute nicht mehr zusammenbringen. Keiner kann ohne den anderen die Macht erhalten. Da ist es wenig tröstlich, dass die in Umfragen gestärkte CDU mit einem verfrühten Diskurs über die Kanzlerkandidatur und einem Ad-hoc-Wechsel ihres Generalsekretärs selbst Unruhe verbreitet. Noch weniger tröstlich ist es, dass sich Wähler zunehmend der AfD zuwenden. Die Unzufriedenheit mit der Regierung und der Union als wahrscheinlichster Alternative ist groß.

Dabei hat die Ampel nicht einmal eine so schlechte Bilanz vorzuweisen. In der noch anhaltenden Coronakrise gestartet, ließ der Überfall auf die Ukraine die Koalition zunächst im Krisenmodus weiterfahren. Die Bevölkerung musste im vergangenen Winter entgegen den Befürchtungen nicht frieren, nachdem Russland die Gaslieferungen eingestellt hatte. Die Wirtschaft drosselte zwar die Produktion, es kam aber nicht zur Zwangsrationierung. Das neue Deutschland-Tempo bei dem Bau von Flüssiggas-Terminals, dem Ausbau erneuerbarer Energien und von Stromnetzen stellte die Ampel unter Beweis.

Krisenmanagement, zudem schuldenfinanziert, reicht jedoch allein nicht aus. Die Rückkehr in den Normalmodus muss auch unter den neuen Vorzeichen gelingen. Die wirtschaftlichen Aussichten sind trübe, sie deuten auf Stagnation. Fachkräftemangel und die Kosten der Transformation lasten auf den Unternehmen. Mit dem neunten Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften ist immerhin ein Schritt getan; ob er gelingt, ist offen. Eine Unternehmenssteuerreform mit einer spürbaren Entlastung mahnt die Wirtschaft schon lange an. Sie würde deutsche Unternehmen im veränderten internationalen Steuerwettbewerb wieder in eine konkurrenzfähige Ausgangsposition bringen. Sie ist aber auch nach mehr als einer Dekade nicht in Sicht. Das von Lindner vorgeschlagene „Wachstumschancengesetz“ mit seinen mehr als 50 Steuerrechtsänderungen greift zwar Petita der Wirtschaft auf, ob aber die Koalitionspartner die geplante Entlastung von mehr als 6 Mrd. Euro mittragen, ist nicht ausgemacht. Die Kritik aus den eigenen Reihen wird schon laut. Die Einführung der globalen Mindeststeuer führt zudem im Gegenzug zu neuen Lasten.

Die Ampel steht vor einem Herbst der Bewährung. Das Deutschland-Tempo muss sie zum Standard machen, soll die Wirtschaft in der neu vermessenen Welt reüssieren. Mehr Ausgaben für Sicherheit muss der Bundeshaushalt schultern – nicht sofort, aber wenn das Bundeswehr-Sondervermögen erschöpft ist. Für neue, dauerhaft konsumtive Ausgaben wie die Kindergrundsicherung ist kaum Luft. Auch der demografische Wandel drückt. Im Herbst soll die kapitalgedeckte Komponente in der gesetzlichen Rente durch den Bundestag gehen. Dasselbe gilt für das Zukunftsfinanzierungsgesetz, das den Finanzplatz hierzulande stärken und Start-ups bessere Chancen bieten soll. Mehr Disziplin muss die Ampel deshalb auch intern vorlegen und sich schneller
einigen. Nur so kann sie ihre Vorhaben ohne Schweinsgalopp ins Gesetzesblatt bringen und wieder mehr Ansehen gewinnen.

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