Zwei Sterne
Die Details der geplanten Börsennotierung der Daimler Truck AG sind gut eine Woche nach Bekanntgabe der Aufspaltungspläne von Daimler weiter offen. Doch soll der Gang an die Börse noch 2021 erfolgen. Der automobile Mutterkonzern, der sich später in Mercedes-Benz umtaufen will, plant zwar eine dauerhafte Minderheitsbeteiligung. Ob es sich dabei um eine Sperrminorität handeln soll, lässt CEO Ola Källenius aber vorerst offen. Wichtig sei vor allem die künftige Eigenständigkeit beider Firmen, die mehr Flexibilität bringen und damit die Agilität der Firmen erhöhen soll.
Was damit in Zukunft gemeint sein könnte, zeigt etwa das Anfang der Woche von der EU freigegebene Joint Venture von Daimlers Truck-Sparte mit Wettbewerber Volvo zur Entwicklung von Brennstoffzellen-Lastkraftwagen. Källenius und Truck-CEO Martin Daum hatten sich festgelegt, dass die Brennstoffzelle im Pkw auf mittlere Sicht praktisch keine Rolle spielen dürfte. Entsprechend ist die Entwicklungshoheit an Daimler Trucks übertragen worden. Derweil treibt Mercedes-Benz Cars andere Themen wie die Batterietechnologie oder die Verbesserung von Software und Infotainment-Angebot im Auto voran. Die entwicklungstechnischen Überschneidungen sind in den vergangenen Jahren immer weniger geworden. Auf der Kundenseite waren sie schon immer gering. Künftig dürfen die Sparten ihr jeweils eigenes Sternensystem entwickeln, ohne ständig darauf achten zu müssen, in Konflikt mit der Umlaufbahn des jeweils anderen zu geraten.
Die Kollisionsgefahr ist zuletzt etwa bei der Weiterentwicklung autonomer Fahreigenschaften gestiegen. Das Zukunftsfeld war vor einiger Zeit von der Pkw- an die Lkw-Sparte übertragen worden. Im vergangenen Jahr vereinbarte Källenius dann eine umfangreiche Kooperation mit Nvidia, bei der es um die Entwicklung der Softwareplattform MB.OS sowie autonomer Fahreigenschaften geht. Der Abstimmungsbedarf zwischen Auto- und Nutzfahrzeugsparte dürfte hier mit der Aufspaltung deutlich sinken. So kann sich der Truck-Bereich stärker auf die spezifischen Herausforderungen im autonomen Lastwagenverkehr konzentrieren, bei dem auch andere Hardware zum Einsatz kommen kann als im deutlich kleineren Pkw. Umgekehrt kann Mercedes mit Nvidia an Pkw-spezifischen autonomen Fahreigenschaften arbeiten.
Ein weiteres Ziel, das sich Källenius für Mercedes vorgenommen hat, ist die Reduktion von Komplexität. Hier hat Mercedes noch viel Arbeit vor sich, wie ein Vergleich des SUV EQC mit Teslas Model Y zeigt. Während die Kalifornier den Kunden nur 15 Optionen zur Auswahl anbieten, lassen sich bei Mercedes mehr als 130 Auswahlpunkte finden – und das ist gegenüber vielen Verbrennern der Marke bereits eine Reduktion. Der EQC-Kunde kann beispielsweise vier Zierleisten, drei Innenraum- und neun Polstervarianten kombinieren. Der Tesla-Kunde hat genau zwei Optionen zur Auswahl: einen schwarzen oder einen weißen Innenraum. Allerdings ist Mercedes beim ersten batterieelektrischen Auto mit nur zwei Basisvarianten noch vergleichsweise konsequent vorgegangen. Bei Volkswagens ID.3 haben die Kunden Auswahl zwischen elf Varianten – eine mehrseitige Vergleichstabelle ist nötig, um darzustellen, welche Ausstattung enthalten, wählbar oder in der gewünschten Basiskonfiguration nicht einmal optional ist. So gesehen ist Mercedes mit dem EQC schon einen Schritt weiter.
Allerdings wird der nächste Schritt nicht einfach. Källenius hat sich hier ein wenig die Quadratur des Kreises vorgenommen. Denn während die Komplexität sinken soll, bleibt die Vielfalt schon allein durch die Zahl der Marken hoch. Mercedes setzt künftig mehr auf Luxus. Die Geländewagenreihe G-Klasse, die Sportwagenmarke AMG, die Edelmarke Maybach und die Elektroautoreihe EQ sollen an Gewicht im Konzern gewinnen und die Marge treiben. An der Differenzierung der Marken muss derweil noch gearbeitet werden. So ist die AMG-Variante des EQC im Prinzip nur ein Designpaket. Eine Performance-Motorisierung, wie man sie angesichts der Positionierung erwarten würde und wie sie etwa Tesla bietet, steht bei Mercedes nicht zur Wahl – trotz Optionsvielfalt. Die Aufteilung von Daimler in zwei unabhängige Konzerne ist ein wichtiger Schritt, um den Fokus zu erhöhen. Ob der gewonnene Freiraum die zwei Sterne heller strahlen lässt, wie Källenius hofft, der schon zwei Dax-Konzerne vor Augen hat, müssen diese allerdings erst noch zeigen.