Sorgen um neue Chipreihe treiben Nvidia-Investoren um
Sorge um neue Chipreihe treibt Nvidia-Investoren um
Komplexität von Blackwell-Prozessoren bremst Output und lastet auf Margen – Enthusiasmus um KI-Profiteur flaut trotz anhaltender Gewinnstärke ab
xaw New York
Der Chipdesigner Nvidia liefert den nächsten Beweis dafür, dass der Boom um künstliche Intelligenz (KI) anhält – doch der Enthusiasmus der Investoren flaut ab. Zur Wochenmitte setzte die Aktie des Unternehmens aus Santa Barbara nach der Zahlenvorlage zum dritten Geschäftsquartal 2025 im außerbörslichen New Yorker Handel zurück, obwohl die Kalifornier Rekorderlöse von 35,1 Mrd. Dollar vermeldeten. Gegenüber dem vorangegangenen Jahresviertel bedeutet dies ein Wachstum von 17%, im Vergleich zum Vorjahr gar einen Sprung um 94%. Damit übertraf Nvidia die Erwartungen der Wall Street ebenso wie mit dem Nettogewinn von 19,31 Mrd. Dollar.
Umsatzprognose besser als erhofft
Auch die Umsatzprognose für das laufende Quartal, die der US-Chipriese auf 37,5 Mrd. Dollar mit einer möglichen Abweichung um 2% in beide Richtungen festlegte, fiel etwas besser aus als von Analysten erwartet. Sie deutet daraufhin, dass der Bedarf an hochleistungsfähigen Halbleitern, die Tech-Konzerne um Amazon, Alphabet und Microsoft für den Ausbau ihrer Rechenzentren und KI-Anwendungen benötigen, ungebrochen hoch ist.
Allerdings hatten sich Anleger nach dem Rekordlauf der vergangenen Quartale im Vorfeld noch größeren Optimismus erhofft. Gemäß Daten von Cboe Global Markets waren bullishe Terminhändler in der Woche vor der Zahlenvorlage besonders aktiv in Call-Optionen, mit denen sie auf kurzfristige Kurszuwächse auf Niveaus von über 155 Dollar bzw. 162,50 Dollar wetten. Am Mittwoch hatte die Aktie zu 145,89 Dollar geschlossen.
Kunden fürchten Verzögerungen
Zur Eröffnung am Donnerstag befestigte sich der Titel nach der Nervosität im außerbörslichen Handel vorübergehend. Dennoch rücken nun Komplikationen auf dem Wachstumskurs des 1993 von CEO Jen-Hsun „Jensen“ Huang mitgegründeten Unternehmens in den Fokus. Bereits im August hatte Nvidia Probleme in der Herstellung von Chips über die neue Plattform Blackwell für eingeengte Margen und eine 908 Mill. Dollar schwere Abschreibung verantwortlich gemacht. Gemäß der Tech-Publikation „The Information“ überhitzen einige der Blackwell-Chips beim Anschluss an kundenspezifische Server-Racks. Abnehmer fürchteten deshalb Verzögerungen bei der Inbetriebnahme ihrer Rechenzentren.
Nvidia-CFO Colette Kress betonte in einer Analystenschalte indes, dass die Nachfrage nach der neuen Halbleitergeneration „atemberaubend" sei. „Wir müssen uns beeilen, das Angebot hochzufahren“, führte die Finanzchefin aus. Kurzfristig werde das Unternehmen aber nicht in der Lage sein, alle Kunden vollumfänglich zu beliefern. Sowohl bei Blackwell als auch bei der Vorgänger-Mikroarchitektur Hopper sei es bisher nur eingeschränkt möglich, den Output anzukurbeln.
Blackwell-Chips weisen 2,6-mal so viele Transistoren auf wie ihre Vorgängermodelle und bieten damit eine deutlich höhere Performance. Allerdings sind sie deshalb auch komplexer aufgebaut. Statt aus einem zusammenhängenden Stück Silikon bestehen sie aus zwei fortschrittlichen Prozessoren und einer Reihe an Speicherkomponenten. Die Zusammensetzung des Gemischs aus Silikon, Metall und Plastik muss vollkommen reibungslos ablaufen, der Defekt eines einzelnen Teils kann den ganzen 40.000-Dollar-Chip unbrauchbar machen und die viel beachtete Produktionsrendite schwer belasten.
Fehlerbehebung muss schneller gehen
Im August teilte Nvidia mit, das Design der Blackwell-Chips leicht angepasst zu haben, um die Rendite zu verbessern – mit Erfolg, wie Kress in nun in einem Brief an die Aktionäre mitteilte. Die Analysten sehen aber auch Probleme durch eine neue Produktionsmethode des Auftragsfertigers TSMC, die bei Blackwell aufgrund der Größe der Halbleiter zum Einsatz kommt. Dies reduziere die Zuverlässigkeit. Zugleich muss Nvidia, die statt wie früher jedes zweite nun jedes Jahr neue Chipgenerationen an den Markt bringen will, Probleme in der Produktion umso schneller ausmerzen.
Hinzu kommt, dass sich der Vorreiter bei KI-Prozessoren mit wachsendem Wettbewerbsdruck auseinandersetzen muss. So hat Advanced Micro Devices (AMD) neue Beschleuniger-Hardware an den Markt gebracht, die sie unter dem Namen MI300 vermarktet, und will 2024 KI-Chips im Gegenwert von 5 Mrd. Dollar verkaufen. Auch bei der Konkurrentin wächst die Nachfrage wohl deutlich schneller als das Angebot.
Konkurrenz durch eigene Großkunden
Zudem investieren Großkunden wie Alphabet und Amazon massiv in ihre eigenen Fertigungskapazitäten für Halbleiter. Weil sie ihre Abhängigkeit von Zulieferern zu verringern suchen, geraten die Tech-Riesen laut Analysten in Konkurrenz mit einstigen Partnern. Bei Alphabet laufen deshalb schon Beschwichtigungsversuche: Die Chip-Aktivitäten seien die „Basis für ein Wachstum des Kuchens“, von dem alle Branchenteilnehmer profitieren würden, betonte etwa Amin Vahdat, General Manager für Cloud-KI bei der Tochter Google, im Frühjahr. Bisher sieht Alphabet noch davon ab, ihre Prozessoren an Kunden zu vertreiben, die diese in ihren eigenen Datenzentren installieren könnten. Ein solcher Schritt würde Nvidia laut Branchenkennern vor den Kopf stoßen.
Auch die Herausforderungen durch Kartellregulatoren in den USA und Europa, denen die starke Konzentration im KI-Chipsegment mit dem 80%-Marktanteil von Nvidia ein Dorn im Auge sind, nehmen zu. Zugleich bereitet der amerikanische Protektionismus, der unter dem designierten Präsidenten Donald Trump laut Politikbeobachtern noch an Schärfe gewinnen dürfte, Anlegern Sorgen. Bereits 2022 hatten die USA umfangreiche Beschränkungen für den Export hochleistungsfähiger Halbleiter und zugehöriger Fertigungstechnik nach China erlassen. Im Oktober 2023 weitete Washington diese aus und schloss Schlupflöcher in bestehenden Regelungen.
Protektionismus trübt Aussichten ein
Hochleistungsfähige KI-Halbleiter, wie Nvidia sie entwickelt, sind ohne gesonderte Lizenz vom Export nach China ausgeschlossen. Zudem müssen die Konzerne die US-Regierung bei Ausfuhren sogenannter Grauzonen-Chips, die knapp unterhalb der höchsten Performance-Schwelle liegen, benachrichtigen, worauf Washington ablehnende Bescheide stellen kann. Nvidia hatte zuvor spezielle, weniger leistungsfähige Chips für den chinesischen Markt fertigen lassen, benötigt seither de facto aber selbst für diese Lizenzen. Die Analysten von Insider Intelligence kritisierten damals, dass der Konzern mit der Entwicklung gesonderter Halbleiter für den Vertrieb in der Volksrepublik Kapazitäten binde, die andernorts benötigt würden.
Dies öffnet auch Einfallstore für Konkurrenten aus China. Finanzchefin Kress teilte im Rahmen der Analystenschalte am Mittwoch mit, dass die Erlöse aus dem Reich der Mitte im abgelaufenen Quartal zwar gegenüber dem vorangegangenen angezogen hätten, sich aber noch deutlich unter den Niveaus befänden, die vor Einführung der Exportkontrollen üblich gewesen seien. CEO Huang betonte angesichts der drohenden neuerlichen Importzölle Trumps, die für Nvidia Lieferkettenprobleme nach sich ziehen könnten, sein Unternehmen werde sich an alle etwaigen Regulierungen halten.
Zu hohe Erwartungen geweckt
Das größte Problem für den Chipdesigner bleibt in dieser Gemengelage laut Analysten, dass sein Gewinn- und Umsatzwachstum zu hohe Erwartungen geweckt hat. Der KI-Boom lieferte bisher den Brennstoff für die seit Quartalen andauernde Kursrally, die den Kaliforniern den Status als wertvollstes Unternehmen der Welt beschert hat.
Doch David Kostin, Chef-US-Aktienstratege von Goldman Sachs, geht davon aus, dass die Outperformance der „Glorreichen Sieben“ – neben Nvidia zählen dazu Alphabet, Amazon, Apple, Meta Platforms, Microsoft und Tesla – gegenüber der durchschnittlichen Gewinnentwicklung im S&P 500 im neuen Jahr zurückgehen wird, wie er bei einer Medienrunde am Mittwoch betonte. Dementsprechend und auch angesichts der weniger restriktiven US-Geldpolitik werde es für Anleger interessanter, von den größten Werten um Nvidia in Midcap-Aktien umzuschichten.
Nvidia untermauert mit ihrem Ausblick, dass der Boom um KI anhält. Doch verwöhnten Anlegern ist das nicht genug – bei ihnen rücken Komplikationen auf dem Wachstumskurs des Chipdesigners in den Fokus. Insbesondere technische Probleme mit der neuen Halbleitergeneration Blackwell bereiten Analysten Sorge.